Helen Heinz
Mein aktueller Arbeitsplatz für die nächsten Monate befindet sich im Herzen von Freising. Mit einer Größe von nur elf Quadratmetern bietet er eigentlich alles was man braucht. Viel Licht, eine ausreichend große Arbeitsfläche, Einkaufsmöglichkeiten (wenn auch demnächst nur noch mit Mundschutz), direkten Blickkontakt zu den Nachbarn sowie einen Dönerladen und eine Schneiderei direkt gegenüber, die seit kurzem beide wieder geöffnet haben. Sollte es doch mal einsam werden, sind meine liebenswerten Mitbewohner und meine Zimmerpflanze zur Stelle.
Doch auch die Leute gegenüber beginnt man plötzlich viel bewusster wahrzunehmen. Sei es das Paar, das vor lauter Pflanzen kaum mehr aus seinen Fenstern sieht oder die ältere Dame im ersten Stock, die sehr penibel ihre Fenster vom Pollenstaub befreit. Plötzlich macht man sich Gedanken wer hinter den Fenstern wohnt, auf die man seit Jahren tagtäglich schaut und welche Geschichten und Persönlichkeiten dahinterstecken. Ob es wohl seltsam wird die Leute, die eigentlich Nachbarn sind, auf der Straße zu treffen, wenn alles wieder wie früher ist? Sich ohne Mundschutz über den Weg zu laufen und zurückzudenken an die ganz eigenen Geschichten und Charaktere, die man sich über die Zeit zusammengesponnen hatte? Auf seltsame Art und Weise ist man sich jetzt schon nähergekommen, trotz der Umstände, die doch eigentlich zu mehr Distanz führen sollten.
Abb. 1: Arbeitsplatz (Quelle: eigene Aufnahme) Abb. 2: Nachbarschaft (Quelle: eigene Aufnahme)
