Um eine Professur bzw einen Lehrstuhl neu zu besetzen, sind eine ganze Reihe an Schritten notwendig. Dabei ist egal, ob eine Stelle komplett neu geschaffen wird oder nur die vorherige Inhaber*in die Universität verlässt. Gesetzlich ist dies in Art.66 BayHIG geregelt.

  1. Der Fakultätsrat beantragt die Ausschreibung der Stelle. Dabei ist wichtig, wie genau die Ausschreibung formuliert ist, denn diese ist im weiteren Berufungsverfahren rechtlich bindend.
  2. Die EULe beschließt, dass die Planungskommission zuständig ist.
  3. Die Planungskommission bespricht den Antrag und empfiehlt ihn i.d.R. zur Ausschreibung.
  4. Basierend auf dieser Empfehlung stimmt die EULe darüber ab, ob die Ausschreibung erfolgen soll.
  5. Ist die Stelle ausgeschrieben wird im Fakultätsrat die Besetzung der Berufungskommission festgelegt (im Einvernehmen mit der Hochschulleitung).
  6. Es gibt ein*e studentische Vertreter*in (plus eine Ersatzvertretung)

Wenn ihr Teil der Berufungskommission seid, kommt Folgendes auf euch zu (je nach Fakultät unterscheiden sich die Vorgänge jedoch):

Inhaltsübersicht

Sichtung der Unterlagen

Ihr bekommt Zugang zu allen Bewerbungsunterlagen. Meist sind hier Urkunden (bzw. wichtige Dokumente), Publikationen, ein längeres Anschreiben, Forschungs- und Lehrkonzept enthalten. Euer Fokus sollte auf dem Lehrkonzept liegen. Am besten legt ihr euch für jeden Bewerber eine Seite (gerne auch in Papierform) an. Hier kann man die wichtigsten Eigenschaften hineinschreiben, wie Name, Alter, H-Index (Standard-Angabe für die Anzahl der Publikationen bzw. Zitierungen). Lest euch kurz das Anschreiben bzw. die Passagen durch, die euch wichtig für eure Entscheidung vorkommen. Schaut euch darauf das Lehrkonzept an. Alles Wichtige sollte auf euren Zettel, damit ihr es nicht vergisst. Sollten sich hieraus Fragen ergeben, schreibt diese am besten auch auf den Zettel. Bei den Anhängen sind meist auch noch Evaluationen dabei, ein Blick hierauf (vor allem die Freitextantworten) schadet nie. Allerdings werden die meist nur bei überdurchschnittlichem Feedback eingereicht. Fehlen Lehrkonzept und Evaluationen, kann das auch eine eurer Fragen werden.

Erste Sitzung der Kommission

Das Wichtigste in der ersten Sitzung ist die Bestimmung von sechs bis acht Kandidat*innen, die an die Uni für ein Bewerbungsgespräch eingeladen werden. Schreibt am besten auch hier die wichtigsten Anmerkungen zu den Bewerber*innen mit. Bringt euch auch selbst ein, besonders wenn eine Person besonders gut oder schlecht in euren Augen abgeschnitten hat.

Zu klären wäre noch das Verfahren des Vorstellungsgesprächs. Standardmäßig ist das ein Fachvortrag, das anschließende Interview und zum Schluss ein paar Minuten, in dem die Kommission alleine beides bespricht. Als Studierendenvertreter*in ist es meist sinnvoll eine Lehrprobe zu verlangen, deren Inhalt ein Thema aus dem Grundstudium ist (rund 15 min). Bei gewissen Berufungen kann auch ein Gespräch mit der Fachschaft sinnvoll sein, dies sollte allerdings für alle verpflichtend sein und kann auch digital stattfinden, da ihr am Tag der Berufungskommission wohl eine extra Zeit haben werdet (außer ihr findet genug andere Leute aus der Fachschaft).

Bewerbungsgespräch

Im Idealfall habt ihr also einen Fachvortrag mit anschließender Lehrprobe und ihr befindet euch jetzt im Interview. Im Vorfeld sollte man sich ein paar Fragen (rund um das Thema Studierende und Lehre) aufgeschrieben haben. Meist ergeben sich diese aus der Bewerbung verknüpft mit generellen Fragen die ihr jeder Kandidat*in stellt, so könnt ihr besser vergleichen. Einige Beispiele für Fragen findet ihr in dem Berufungshandbuch der KoMa. Am Ende der Gespräche werden noch externe Gutachter*innen bestimmt und die Liste auf drei Personen reduziert.

Gespräch mit der Fachschaft

In diesem optionalen Gespräch könnt ihr den*die Bewerber*in besser kennenlernen und in lockerer Atmosphäre noch ein bisschen mehr erfahren. Auch kann hier spontan um eine Lehrprobe gebeten werden, sofern diese im vorherigen Schritt ausgefallen ist.

Besuche

In der Medizin ist es üblich die letzten drei Personen in ihrer Klinik zu besuchen. Die Fahrtkosten übernimmt die Uni. Ihr seit bei Krankenbesuchen und im OP dabei. Zudem könnt ihr mit anderen Studierendenvertreter*innen reden um zu erfahren, wie die Person wirklich in der Lehre ist.

Letzte Sitzung der Kommission

In der letzten Sitzung der Kommission werden die Gutachten durchgegangen und eine Reihung festgelegt. Die erste Person auf der Liste erhält den "Ruf" an die Uni zu kommen und kann den Vertrag mit der Unileitung verhandeln. Sollte dieser nicht zustande kommen erhält die zweite Person den "Ruf". Hierbei kann es passieren, dass die Liste auch nur aus zwei Personen besteht oder eine Sperrklausel eingefügt wird oder die Berufung an gewisse Bedienungen geknüpft ist.

Bericht

Nicht die Kommission sondern die EULe entschiedet formell über die Berufung einer Person. Deswegen müsst ihr ein Bericht an diese schreiben, in dem ihr zu den Kandidat*innen bzw. der Reihung Stellung nehmt. Ein kurzes Beispiel ist im Handbuch der Koma zu finden. Ein paar Formulierungshilfen werde ich hier auch noch ergänzen:

Beispielformulierungen und Inhalt der Stellungsnahme

[...] überzeugte mit seiner/ihrer ausgezeichneten Lehre. Durch [Erfahrung / Qualität von xy] hebt er/sie sich deutlich von den anderen Bewerber:innen ab. Letzteres demonstrierte er/sie in der Lehrprobe [...]. Hervorzuheben ist [...].
Herr/Frau XY bittet zurzeit folgende Kurse an [...] und hat langjährige Erfahung in [...] / betreut zurzeit [...] → hier Seminare (Grund-) Vorlesungen / Modulbuchbeauftragt / besondere Lehrorganisation / betreut den aufbau von
Sein/Ihr gut strukturierter/herausragender Vortrag zeugte von [...] / hat gezeigt dass [...] → ruhig / klar Verständlich / vollumfänglich
Als Vortragender ist im/ihr seine/ihre [...] art zugute gekommen.
Im Gespräch mit den Studiereden ist uns aufgefallen dass [...]

Generell kann man sagen, dass alle drei Bewerber:innen im Bereich der Lehre für die Professur in Augsburg geeignet sind. Speziell die Passgenauigkeit auf die ausgeschriebene Stelle sehe ich bei [...] am größten an. Aus den genannten Gründen unterstütze ich die von der Kommission bestimme Reihung der Bewerber:innen, mit [...] auf Platz eins [...].

Die Konferenz der Deutschsprachigen Mathematikfachschaften hat ein Handbuch verfasst in dem dieser Prozess etwas ausführlicher beschrieben ist:

Handbuch der KoMa