engl.: Kanban

Kanban ist eine Methode der Produktionsplanung und -steuerung, die die Produktionsprozesse in selbststeuernde Regelkreise einteilt, die nach dem Pull-Prinzip (auch Hol-Prinzip genannt) arbeiten (siehe Abb. 1). Sie wurde 1947 vom Vizepräsident von Toyota, Taiichi Ohno, erfunden und wird seit den 1970er Jahren auch in den USA und in Deutschland eingesetzt.

  Kanban gliedert die Produktionsprozesse in selbststeurnde Regelkreise
Abbildung 1: Kanban gliedert die Produktionsprozesse in selbststeurnde Regelkreise (Grafik: Lehrstuhl fml)

Ziele des Kanban-Systems

Das Ziel von Kanban ist die Reduzierung der Umlaufbestände und somit auch der Lagerbestände. Dadurch lässt sich die Kapitalbindung verringern, aber es wird auch die Flexibilität hinsichtlich der Bedarfsmengen erhöht. Durch den Umlauf der Kanban-Karten wird eine Steigerung der Prozesssicherheit und eine Verringerung des operativen Steuerungsaufwandes erreicht.

Funktionsprinzip

Das Produktionssystem wird dezentral gesteuert und orientiert sich nach dem Produktionsplan der letzten Fertigungsstufe. Die jeweils nachfolgende Fertigungsstelle (Senke) nimmt die benötigte Menge zum richtigen Zeitpunkt direkt von der vorgelagerten Fertigungsstelle (Quelle) oder aus deren Pufferlager ab. Nach der Unterschreitung einer festen, vordefinierten Menge (dem sogenannten Meldebestand) liefert die Senke der Quelle eine Information zur Produktion der benötigten Teile, die dementsprechend von der Quelle bereitgestellt werden. Diese Informationsübertragung wird im klassischen Fall mit Hilfe von Kanban-Karten realisiert (jap. Kanban = dt. Schild, Karte). Diese Karte wird mit einem vollen Behälter an die Senke angeliefert. Sobald der Inhalt des Behälters verbraucht ist, wird die Kanban-Karte in eine Kanban-Sammelbox gelegt. Oft wird auch bei der ersten Entnahme aus einem Behälter die Kanban-Karte bereits in die Sammelbox gelegt, damit wieder ein voller Behälter bereitsteht, bevor dieser geleert ist. Die Sammelbox wird periodisch geleert und die dort gesammelten Kanban-Karten werden dann entsprechend an die Quellen verteilt. Erst dann starten die Quellen mit der Fertigung der auf der Kanban-Karte aufgelisteten Art und Menge des Materials. Diese Produkte werden dann entweder in das Pufferlager der Quelle transportiert, von dem aus sich die Senke selbst versorgt, oder zu einem genau bestimmten Zeitpunkt an die Senke geliefert.

Es gibt verschiedene Ausprägungen von Kanban. Das Zwei-Karten-System mit einer Transport- und einer Produktionskarte wird oft in der innerbetrieblichen Produktion eingesetzt. Beim Behälterkanban wird auf den Einsatz von Kanban-Karten verzichtet, indem die Informationen direkt am Behälter angebracht werden. Dies wird vor allem über Unternehmengrenzen hinweg zwischen Lieferanten und Kunden eingesetzt. Beim Signal- oder E-Kanban wird auf die Karte ebenfalls verzichtet und die Informationsübertragung erfolgt über elektronische Signale.

Wichtige Regeln für den Einsatz von Kanban:

Senke

  • nur die Senke fordert Material an
  • keine vorzeitige Anforderung von Material
  • nur soviel Material wie benötigt wird anfordern

Quelle

  • keine Produktion auf Vorrat
  • Gewährleistung höchster Produktqualität
  • keine Weitergabe von fehlerhaften Produkten

Koordinator

  • gleiche Belastung der Produktionsstellen
  • möglichst kleine Anzahl von Kanban-Karten
  • konstante Anzahl von Kanban-Karten

Kanban-Karten

Eine ausreichende Anzahl von Kanban-Karten im System wird von einem Kanban-Koordinator gewährleistet. Seine Aufgabe ist, schon im Vorfeld die Anzahl von Kanban-Karten an die jeweilige Situation anzupassen. Die allgemein geltende Regel lautet: Es muss immer ausreichend Material zirkulieren, um die im Wiederbeschaffungszeitraum auftretenden Bedarfsmengen zu decken. Auf der Kanban-Karte steht als wichtigste Informationen der Name des Materials oder der Baugruppe mit einer eindeutigen Kennzeichnung. Dazu werden die Menge und die dazugehörige Mengeneinheit aufgeführt. Damit der Bearbeiter weiß, wie er das Material transportieren muss, sind die Quelle und das Ziel und der benötigte Behältertyp angegeben. Die Karten sind selbst über eine Laufnummer eindeutig identifizierbar, so dass auch ihr Weg nachvollzogen werden kann.

Voraussetzungen für den Einsatz von Kanban

Die Produktion muss kontinuierlich ablaufen. Deshalb eignet sich vor allem die Fließfertigung für den Einsatz von Kanban. Dazu müssen die Rüstzeiten gering und die Transportzyklen und Transportwege für das Material kurz und einheitlich sein. Die Produktionsorte und die Puffer müssen mit eindeutigen Adressen bezeichnet werden, um dem Mitarbeiter eine gute Orientierung zu ermöglichen. Es eigenen sich vor allem AB/XY-Artikel (siehe ABC-Analyse bzw. XYZ-Analyse) mit hohem Wert und möglichst konstantem Verbrauch für die Kanban-Fertigung. Das Personal muss qualifiziert und reaktionsschnell sein, um Fehler und Störfälle zu vermeiden bzw. angemessen darauf reagieren zu können. Soll die Flexibilität in der Fertigung erhöht und Prozesse mit größeren Schwankungen einbezogen werden, ist eine genaue Planung und eine gute Koordination nötig.

Vorteile gegenüber der zentralen Produktionssteuerung:

  • größere Flexibilität, z.B. die Möglichkeit, kurzfristige Änderungen durchzuführen
  • weniger Bestände und damit weniger Kapitalbindung
  • Produktion nach dem tatsächlichen Verbrauch
  • zeitnahe, an die jeweilige Situation angepasste Informationsweiterleitung
  • geringer Steuerungsaufwand durch transparente und sich selbst steuernde Regelkreise
  • Verringerung der Durchlaufzeiten
  • standardisierte Abläufe
  • bessere Kundenorientierung, weil durch die höhere Flexibilität besser auf Kundenwünsche eingegangen werden kann
  • Erhöhung der Liefertreue durch immer gleich ablufende Prozesse und die verbesserte Abstimmung zwischen Quelle und Senke
  • zufriedenere Mitarbeiter vor Ort, weil diese mehr Verantwortung tragen

Nachteile des Kanban-Systems:

  • ungeeignet für Einzel- und Spezialfertigung
  • möglichst konstanter Verbrauch
  • geringe Variantenvielfalt (mehr Varianten führen zu größerem Planungs- und Koordinationsaufwand)
  • komplexe Umsetzung
  • Leerlaufzeiten, wenn Maschinen nur auf Anforderung produzieren
  • nicht einsetzbar bei langen Rüst- und Anlaufzeiten bei bestimmten Maschinen
  • ein Null-Bestand kann aufgrund von Sicherheitsfaktoren nicht realisiert werden

Quellen

[1] Wildemann, H.: Kanban-Produktionssteuerung, Leitfaden zum Einsatz von Karten und elektronischem Kanban zur Einführung des Hol-Prinzips, München: TCW-Verlag 2001.

[2] Geiger, G.; Hering, E.; Kummer, R.: Kanban, München, Wien: Hanser Verlag 2003.

[3] Takeda, H.: Das synchrone Produktionssystem, Landsberg: Verlag Moderne Industrie 1999.

[4] Dickmann, P.: Schlanker Materialfluss, Berlin, Heidelberg: Springer 2007.

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