Corinna Sander, 05.03.2015

English translation


Luftultraschall ist eine zerstörungsfreie Werkstoffprüfungsmethode. Die Methode bietet die Möglichkeit Werkstoffeigenschaften wie Dichte, Elastizitätmodul oder aber auch Homogenität und Fehlstellen zu überprüfen. Anhand dieser Ergebnisse können Aussagen über die Gebrauchstauglichkeit und Qualität eines Bauteils getroffen werden. Prinzipiell besteht das Ultraschall-System aus einem Schall-Empfänger und einem Sender-Wandler. Als Besonderheit beim Luftultraschall wird als Koppelmedium zwischen Prüfkörper und Sender bzw. Empfänger die umgebende Raumluft verwendet und nicht wie beim herkömmlichen Ultraschall Gel oder Wasser. [1]


Was ist Luftultraschall?

Ultraschall ist ein berührungsloses Messverfahren, welches aus der Bionik (Biologie + Technik) entwickelt wurde. Die ausgesendeten Schallwellenlängen befinden sich oberhalb der hörbaren Frequenzen des Menschen bei ca. 16 Hz - 20.000 kHz. [2]

Schall kann an Prüfkörpern reflektiert, gestreut oder transmittiert werden. Im einfachsten Fall erzeugt ein Sender Schallwellen, die von einem Empfängerprüfkopf erfasst werden und in elektrische Signale umgewandelt werden. Die gewonnenen Daten können bildlich als sogenannte A-, B-, C-, D-Scans dargestellt werden. [3]

In den letzten Jahren wurden neue breitbandige Ultraschallwandler entwickelt, um auch Wellenübertragung zwischen Luft und festen Wandlermedien erzeugen und empfangen zu können. [4] Als Koppelmedium zwischen Sender und Objektempfänger kann beim Luftultraschall die Raumluft genutzt werden. Hierbei hat der Luftultraschall einen großen Vorteil: Die aufwendigen Koppeltechniken der gängigen Ultraschallprüfungen werden beim Luftultraschall vermieden, da eine Messung unabhängig von der Oberflächenbeschaffenheit und der eventuellen elektrischen Leitfähigkeit des Körpers durchgeführt werden kann. Des Weiteren kann es hilfreich sein, dass für eine Messung lediglich wenige Zentimeter Abstand zum Objekt gehalten werden müssen. Oft entstehen Ankopplungsprobleme bei rauen Oberfläche oder wenn ein Eindringen des flüssigen Koppelmediums verhindert werden soll. Falls Bauteile geprüft werden, welche nur schwer zugänglich sind, ist es von großem Nutzen, dass eine Luftultraschallmessung genauso von nur einer Seite aus möglich ist. [1]

Mit dem Ultraschallverfahren ist es möglich Material- und Homogenitätsfehler zu detektieren. Außerdem lässt sich anhand der Durchlaufzeit eine quantitative Aussage über die Dicke des Prüfobjektes treffen.

Dieses Verfahren wird hauptsächlich herangezogen um einzelne Bauteile auf ihre Qualität zu prüfen, aber auch bei speziellen Anwendungen in der industriellen Serienanfertigung um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen.

Physikalische Grundlagen der Messmethode

Der große Unterschied der akustischen Widerstände Z (Impedanz = Wechselstromwiderstand / Eigenschaft der elektromagnetische Wellenausbreitung) der Luft als Koppelmedium zur Piezokeramik des Senders/Empfängers stellt eine Schwierigkeit dar, um die gleichen Ansätze des flüssigkeitsbasierenden Ultraschallverfahrens auf den Luftultraschall zu übertragen. Die Empfindlichkeit der eingesetzten Prüfköpfe lässt sich durch das Verhältnis von Sendespannung zu Empfangsspannung in der Luft beschreiben. Das nutzbare Spektrum des Frequenzbereiches wird durch die Impedanz der Luft nach oben eingegrenzt. [5] Zur Annäherung gibt es folgende Formel zur Ermittlung der Schallgeschwindigkeit eines Fluids (Substanz, unbegrenzt deformierbar und geben beliebig kleinen auf sie wirkenden Kräften nach [6]) aus der hydrodynamischen Gleichung: [5]

v_{ph} = c = \sqrt{\frac{\partial p}{\partial \rho}}   (1. Formel: Schallgeschwindigkeit Fluid)

  • v_{ph} = Phasengeschwindigkeit [m/s]

  • c = Lichtgeschwindigkeit im Medium [m/s]

  • \dfrac {\partial p} {\partial \rho} = partielle Ableitung des Drucks nach der Dichte

Diese Formel von Fluid auf ein Gas geändert ergibt: [5]

v_{ph} = \sqrt{\gamma \dfrac{p}{\rho}}   (2. Formel: Schallgeschwindigkeit Gas)

  • \nu_{ph} = Phasengeschwindigkeit [\frac{m}{s}]

  • \gamma = \dfrac{C_p}{C_\rho} adiabatischer Index, Verhältnis der Wärmekapazität bei konstantem Druck und konstantem Volumen

  • p = Schalldruck [Pa]

  • \rho = Dichte [\frac{kg}{m^3}]

Unter Berücksichtigung der Temperatur gilt: [5]

v_a = 331 \dfrac{m}{s} \cdot \sqrt{1 + \dfrac{T_c}{273 °C}}   (3.Formel: Abhängige Beziehung Geschwindigkeit-Temperatur)

  • v_a = Schallgeschwindigkeit [\frac{m}{s}]

  • T_c = Temperatur [°C]

Bei gleichbleibenden Bedingungen im Labor (20 °C und 1013 hPa) stellt folgende Formel die Schallgeschwindigkeit v_a und die akustische Impedanz Z_a der Luft dar: [5]

v_a = 343 \dfrac{m}{s}   (4. Formel: Schallgeschwindigkeit)

Z_a = \rho v = 413 \dfrac{kg}{m^2s}   (5. Formel: Akustische Impedanz von Luft)

Schallwellen laufen nicht unendlich weit. Sie werden von Hindernissen reflektiert, transmittiert bzw. teilweise absorbiert. Durch Analyse der Absorption, Reflexionen bzw. Transmissionen können Eigenschaften der Objekte ermittelt werden. Bei Stoffübergängen unterschiedlicher Impedanz (z. B. Luft - Festkörper oder Stahl – Beton) werden die ankommenden Schallwellen verschieden reflektiert. Je größer der Unterschied desto stärker ist die Reflexion. [7]

Um die Reflexion R [5], Transmission T [5], bzw. Absorptionsgrad \mu [8] an einer Grenzfläche zu beschreiben gelten folgende Formeln:

R = \dfrac{Z_1 - Z_2}{Z_1 + Z_2}   (5. Formel: Reflexionsgrad)

T = \dfrac{2 Z_1}{Z_1 + Z_2}   (6. Formel: Transmissionsgrad)

\mu = 1 \dfrac{dB}{MHz \cdot cm}   (7. Formel: Absorptionsgrad)

  • Z = Impedanz [Rayl]

  • dB = Schalldruckpegel

  • MHz = Megahertz, physikalische Größe der Frequenz [MHz = 10^6 \dfrac{1}{s}]

Wenn die Plattendicke viel kleiner ist als die Pulslänge (D << \lambda), wandert die Welle ungehindert durch das Medium. Deshalb können die Grenzflächen hier nicht getrennt betrachtet werden. Bei lotrechtem Welleneinfall und unter Berücksichtigung aller Faktoren der Reflexionen und Transmissionen ergibt sich folgende Formel: [5]

T_{Platte} = \left [ 1 + \dfrac{1}{4} \left ( m - \dfrac{1}{m} \right )^2 \cdot \sin^2 \left ( D \dfrac{2 \pi}{\lambda} \right ) \right ]^{-1}   (8. Formel: Wellenlänge in Platte)

  • T_{Platte} = Transmission durch eine Platte

  • m = \dfrac{Z_1}{Z_2}

  • D = Dicke der Platte [m]

  • \lambda = Longitudinalwellelänge in der Platte [m]

In Flüssigkeiten und Gasen können keine Schwerkräfte übertragen werden, deshalb bereiten sich nur Longitudinalwellen aus. Da bei Luftultraschall das zu untersuchende Objekt von Luft umgeben wird, kann ausschließlich von diesen physikalischen Druckwellen ausgegangen werden. Trifft eine Schwallwelle unter einem bestimmten Winkel auf einer Oberfläche auf, wird diese teilweise im Objekt transmittiert. [5]

  • \rho \cdot v = Dichte \cdot Wellengeschwindigkeit

  • \phi = Einfalls-/Ausfallswinkel

  • \gamma = Winkel der Transversalwelle

Schallwellen können durch sich bewegende Luft abgelenkt werden und fallen häufig unter einem Winkel \phi auf das Objekt ein. Oft existiert an der Oberfläche bereits eine geführte Welle g, welche die ankommende Luftwellengeschwindigkeit v_a beeinflusst. Hierbei wird von Koinzidenzbedingung gesprochen: [5]

\sin \theta = \dfrac{v_a}{v_g}   (9. Formel: Resonante Kopplung)

Schallwelle in MediumResonanzbedingung

Messprinzip

Das Luftultraschallprüfsystem unterscheidet sich nur unwesentlich von einem konventionellen Ultraschallmessgerät. Als Koppelmedium wird lediglich die umgebende Luft verwendet anstatt extra aufgebrachte Paste/Gel oder Wasser. Bei hohen Prüffrequenzen führen kleinste Abweichungen vom lotrechten Einfallwinkel zu Messfehlern, weshalb sich hierfür am besten die stationäre Normaldurchschallung eignet. [5]

Der Sender erzeugt eine Welle und der Empfänger erfasst diese nach Verzögerung bzw. Abschwächung. Die gemessenen Laufzeiten und Schallamplituden werden anhand eines A/D-Wandlers in digitale, elektrische Signale gewandelt und an einem Messrechner visualisiert. [5]

Um eine Messung durchzuführen gibt es drei verschiedene Möglichkeiten:

1. Normaldurchschallung [5]

Bei der Normaldurchschallung treffen die Schallwellen vom Sender senkrecht auf die Oberfläche. Auf der gegenüberliegenden Seite erfasst der Empfänger die transmittierten Wellen. Die ankommenden Wellen sind im Wesentlichen abhängig von der Prüffrequenz und der Materialeigenschaft.

Normaldurchschallung

2. Schrägdurchschallung [5]

Bei dieser Messart trifft die Schallwelle in einem bekannten Winkel auf das Objekt und fällt im gleichen Winkel wieder aus. Der Empfänger erfasst die transmittierte Welle im gleichen Winkel. Die Wellen reagieren bei schräger Durchschallung empfindlicher auf Defekte und Elastizität des Prüfkörpers.

Schräge Durchschallung

3. Einseitige Messung [5]

Bei manchen Objekten ist es nicht möglich Sender und Empfänger auf zwei verschiedenen Seiten zu platzieren. Infolgedessen gibt es eine dritte Möglichkeit um das Medium nur von einer Seite zu prüfen. Hierbei wird jedoch nicht die Transmittierte gemessen sonder die reflektierte Welle herangezogen. Um nur die Wellen zu empfangen welche durch das Medium laufen, muss eine Blende zur Abschattung der ungewünschten, abgelenkten Schallwellen zwischen Sender und Empfänger platziert werden.

Einseitige Durchschallung

Anwendung und Einsatzmöglichkeiten

Anhand einer Ultraschallmessung können verschiedene Faktoren ermittelt werden, wodurch der Anwendungsbereich vielfältig ist.

Mittels Ultraschallprüfung können zum Beispiel folgende Informationen ermittelt werden: [1]

  • Dicke bzw. Dickeänderung (Qualitätskontrolle) [3]
  • Fehlerstellen, Risse (Qualitätskontrolle)
  • Materialdichte/Homogenität (Qualitätskontrolle)
  • Elastizität (Materialbestimmung)
  • Ortung (Qualitätskontrolle, Platzierung von Objekten)

Die breite Fächerung der luftgekoppelten Ultraschallprüfung geht von der Qualitätskontrolle für eine wirtschaftliche Produktion bis zu geologische Erkundung mittels Tiefenmessung.

Weitere Anwendungsbeispiele: [5]

  • Anisotropiemessung (Werkstoffcharakterisierung)
  • Tiefenprofilierung (Werkstoffcharakterisierung)
  • Optimierte Rissdetektion (Zerstörungsfreie Prüfung ZfP – bildgebender Luftultraschall)
  • Trocknungsvorgänge auf Blech (Prozessverfolgung)
  • Polyurethanverschäumung (Prozessverfolgung)

Ursprung des Ultraschalls

Der konventionelle Ultraschall wurde ursprünglich aus einer Kombination von Biologie und Physik entwickelt. [9] In der Natur haben bereits einige Tiere sich diese Technik zu Nutzen gemacht.

Zum Beispiel benutzt die Fledermaus das System zu Echoorientierung um ohne visuelle Betrachtung auch im Dunkeln ohne Probleme ihren Weg zu finden. Sie formen 3D-Bilder durch die reflektierenden Echos. [1] [10] Delphine benutzen die Echoortung um ihre Beute beim jagen exakt aufspüren zu können. In der Tierwelt werden Schallwellen nicht nur für die Ortung von Objekten genutzt, Mäuse und Ratten unterhalten sich z.B. anhand von verschiedenen Ultraschall-Lauten. [11]

Sogar Pflanzen geben Ultraschall-Laute von sich. Wenn Bäume unter Wassermangel leiden, seufzen sie im Ultraschallbereich. Diese Laute entstehen, wenn Gefäßwände in Schwingung gesetzt werden und Wasserfäden reißen. [12]

Literatur

  1. Hasenstab, A.; Krause, M.; Hillger, W.; Bühlung, L.; Ilse, D.; Hillemeier, B.; Rieck, C.: Luftultraschall und Ultraschall-Echo-Technik an Holz. DGZfP-Berichtsband 94, Plakat 54, DGZfP-Jahrestagung 2005, Rostock.
  2. Ringel, C.M.: Materialien: Wellen, Wellenlänge und Frequenz. Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld, 28.02.2015.
  3. Hillger, W.; Bühlung, L.; Ilse, D.: USPC 4000 AIRTech – ein neues, bildgebendes Ultraschallprüfsystem für Ankopplung über Luft. DGfZP-Jahrestagung (2004) Salzburg, www.NDT.net, 27.11.2014.
  4. Lerch, R.; Sessler, G.; Wolf, D.: Technische Akustik: Grundlagen und Anwendung. Springer, S. 573, 2009.
  5. Döring, D.: Luftgekoppelter Ultraschall und geführte Wellen für die Anwendung in der Zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Institut für Kunststofftechnik Stuttgart, Dissertation 2011.
  6. Herwig, H.: Strömungsmechanik A-Z. Vieweg Praxiswissen, 1. Auflage (August 2004), S.110.
  7. Block, B.: Der Sono-Trainer: Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Oberbauchsonografie. Georg Thieme Verlag, 5. Ausgabe, April 2014.
  8. Bildgebende Verfahren in der Medizin und medizinische Bildverarbeitung, Ultraschall (Skript). TUD Graphische-Interaktive Systeme, 14.11.2007.
  9. Frentzel-Beyme B.: Die Geschichte der Ultraschalldiagnostik. Berlin, 28.02.2015.
  10. Ehret, G.: Akustische Kommunikation. Universtität Ulm, 16.12.2014.
  11. Kranz, B.: Pfeifende Ratten: Verständigung per Ultraschall. 28.02.2015.
  12. Ultraschall-Laute, Bäume „seufzen“, wenn ihnen Wasser fehlt. Focus (23.07.2014). 16.12.2014.