Florian Schadhauser, Wintersemester 11/12


Die Schwingungsanalyse ist ein Verfahren in der zerstörungsfreien Prüfung, bei dem die Schwingungsbewegungen eines Körpers mittels Sensoren in elektrische Signale umgewandelt werden. [1] Dabei werden zwei Arten von Systemschwingungen unterschieden:

  1. die freie Schwingung (Eigenfrequenz) ist die strukturspezifische Antwort des Systems auf eine externe Einwirkung.
  2. die erzwungene Schwingung (Erregerfrequenz) wird vom System übernommen, wenn sich eine extern einwirkende Schwingung lange genug wiederholt.

Über die detektierten elektrischen Signale kann die Art der Schwingung ermittelt werden. Dabei wird die Wellenform der Schwingung über die Zeit aufgezeichnet und anschließend (zum Beispiel mittels Fouriertransformation) in seine einzelnen Frequenzen zerlegt.

Elastische Parameter im Bauwesen

Elastische Paramater beschreiben charakteristische Eigenschaften von Baustoffen. Sie dienen zur Berechnung von Verformungen und zur Beschreibung des Verhaltens unter physikalischen und chemischen Einwirkungen.

Elastische Parameter sind Qualitätsmerkmale und Voraussetzungen, um sicher und wirtschaftlich bauen zu können. Durch Ermüdung oder Alterung können sich diese Parameter jedoch verändern und das Bauwerk kann an Zuverlässigkeit und Sicherheit verlieren. Durch Monitoring und regelmäßige Überprüfung der charakteristischen Eigenschaften kann ein dauerhaftes Bauwerk sichergestellt werden.

Die wichtigsten Parameter werden im Folgenden vorgestellt: [2]

Elastizitätsmodul

Das Elastizitätsmodul E beschreibt die elastische Formänderung eines Werkstoffes. Es kann über die Spannungs-Dehnungs-Beziehung des Materials hergeleitet werden. Für im Bauwesen typisch kleine Verformungen gilt das Hooke’sche Gesetz:

E = \sigma / \epsilon   (Gl. 1)

\sigma: Spannung

\epsilon: Dehnung

Im linearen Bereich kann das E-Modul auch grafisch über die Steigung \Delta \sigma/\Delta \epsilon in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm bestimmt werden. Diese Steigung entspricht dem Tangens des Winkels \alpha, den die Spannungs-Dehnungslinie mit der Abszisse, hier die Dehnung \epsilon, einschließt.

Daraus ergibt sich: E = \frac{\Delta \sigma}{\Delta \epsilon} = tan (\alpha)   (Gl. 2)

Abbildung 1: Grafische Darstellung des E-Moduls

Poissonzahl

Die Poissonzahl (auch: Querdehnzahl) ν beschreibt die inneren Anziehungskräfte der Atome im Material. [2] Sie kann anschaulich als das Ausweichen oder die Längenänderung des Materials (bei einaxialer Spannung) in y- oder z-Richtung gesehen werden, wenn dieses in x-Richtung unter Spannung gesetzt wird. Die Volumenänderung εv kann in diesem Fall über folgende Gleichung bestimmt werden:

\epsilon_v = \frac{\sigma_x}{E} (1 - 2v)   (Gl. 3)

\sigma_x: Spannung in x-Richtung

Schubmodul

Das Schubmodul G charakterisiert die Verschiebung u einer Fläche A aufgrund einer Kraft F, die parallel zu dieser Fläche angreift.

G = \frac{1}{u} \frac{F * z}{A}   (Gl. 4)

Das Verhältnis \frac{u}{z} entspricht dem Tangens der Schubverzerrung γ. Bei kleinen Verzerrungen wird tan(γ) oft zu γ gesetzt. Zudem gilt:

\tau = \frac{F}{A}   (Gl. 5)

\tau: Schubspannung

Daraus ergibt sich:

G = \frac{\tau}{\gamma}   (Gl. 6)

Abbildung 2: Verformung eines Körpers infolge einer Schubspannung

Kompressionsmodul

Wirken auf einen Körper in allen drei Richtungen die gleiche Spannung (σx = σy = σz = -Δp), so wird er komprimiert ohne seine Gestalt zu verändern. Aus dem Hooke’schen Gesetz ergibt das Kompressionsmodul K:

K = \frac{-\Delta p}{\epsilon_v}   (Gl. 7)

Größenordnung und Zusammenhänge

Die Parameter sind bei elastisch isotropen Werkstoffen richtungsunabhängig und können untereinander verknüpft werden:

G = \frac {E}{2(1 + v)}   (Gl. 8)

K = \frac {E}{3(1 - 2v)}   (Gl. 9)

So reichen zwei Konstanten (im Normalfall Elastizitätsmodul und Poissonzahl) aus, um die elastischen Eigenschaften eines Körpers zu bestimmen.

Berechnung der elastischen Parameter durch zerstörungsfreie Prüfung

Die elastischen Parameter können anhand der Schwingungen abgeleitet werden, die gemessen werden, wenn der Körper angeregt wird. Hierbei werden drei Schwingungen unterschieden:

Torsionale Schwingung

Die torsionale Schwingung ist die Schwingung, die um den Körper herumläuft, vergleichbar mit dem Öffnen eines Drehkugelschreibers.


Abbildung 3: Torsionale Schwingung an einem stabförmigen Körper

Longitudinalschwingung

Die Longitudinalschwingung ist eine Schwingung, die in Richtung der Achse läuft, vergleichbar mit einem Gewicht an einer Dehnfeder, das sich auf und ab bewegt.

Abbildung 4: Longitudinalschwingung an einem stabförmigen Körper

Flexurale Schwingung

Die flexurale Schwingung („Biegeschwingung“) beschreibt die dynamische Durchbiegung eines Körpers.

Abbildung 5: flexurale Schwingung an einem stabförmigen Körper

Umrechnung auf elastische Parameter

Sobald der Körper durch eine mechanische Einwirkung angeregt wird, beginnt er in den drei Grundformen zu oszillieren. [3] Diese Schwingungen können mittels Sensoren gemessen und ihre Frequenz (z.B. über Fourier-Analyse) berechnet werden.

Dabei stellen sich folgende Zusammenhänge ein: [3]

Torsionale Schwingung

G = \frac{f_{tors}^2}{k^2} * \frac{m * l}{A} * 4 * R   (Gl. 10)

G: Schubmodul

ftors: Frequenz der torsionalen Schwingung

m: Masse

l: Länge des Körpers

R: Korrekturfaktor für die Geometrie

k: Ordnungszahl der harmonischen Ordnung

A: Querschnittsfläche

R wird bei Kreisquerschnitten mit 1,0 angesetzt, bei abweichenden Geometrien berechnet sich der Faktor zu:

R = \frac{\frac{b}{h} + \frac{h}{b}}{4 * \frac{b}{h} - 2.52 (\frac{b}{h})^2 +0.21(\frac{b}{h})^6}   (Gl. 11)

Longitudinalschwingung

E = \frac{f_{long}^2}{k^2} * \frac{m * l}{A} * 4 * C   (Gl. 12)

E: Elastizitätsmodul

C: Korrekturfaktor für die Geometrie

Der Faktor C berechnet sich zu:
C = 1 + \frac{k^2 * \pi^2 * v^2 * I}{A * l^2}   (Gl. 13)

v: Poissonzahl

I: Flächenträgheitsmoment

Flexurale Schwingung

E = \frac{f_{flex}^2}{(2k + 1)^4} * \frac{m * l^3}{I} * \frac{64}{\pi} * T   (Gl. 14)

Den Faktor T für die Berücksichtigung der Geometrien erhält man näherungsweise über eine Taylor-Reihenentwicklung:

T = \frac{1}{2} + \frac{(2n + 1)^2 * \pi^2 * I}{8 * A * l^2} [1 + \frac{2(1 + v)}{k}] + \sqrt{\frac{1}{4} + \frac{(2n + 1)^2 * \pi^2 * I}{8 * A * l^2} [1 + \frac{2(1 + v)}{k}] + \frac{(2n + 1)^4 * \pi^4 * I^2}{64 * A^2 * l^4}[1 - \frac{2(1 + v)}{k}]^4}   (Gl. 15)

n: Laufvariable

Anwendungsbeispiel: Mörtelprisma

Im Folgenden wird die Schwingungsanalyse anhand eines Mörtelprismas exemplarisch erklärt:

Abbildung 6: Messaufbau zur Schwingungsanalyse an der TU München

Grundlegende Messprinzipien

Das Mörtelprisma wird mit einem Sensor versehen, der die Grundschwingungen aufnehmen kann. Einzelne Schwingungen werden an bestimmten Anregungspunkten, an denen man ein Maximum der jeweiligen Schwingung erwartet, auf dem Prisma bei gleicher Einwirkung stärker angeregt. Abbildung 7 zeigt typische Punkte für die Erzeugung bestimmter Schwingungstypen.

Der Prüfkörper sollte auf einem möglichst nicht mitschwingenden Untergrund gelagert sein (z.B. Schaumgummi).

In der Praxis wird ein stationärer Sensor aufgebracht, der alle drei Schwingformen detektieren kann. Dafür wird auf dem Probekörper ein Raster angegeben, das auch in der Software hinterlegt wird. So kann das Programm die Schwingung in Abhängigkeit des Einwirkungsortes berechnen.

Zu beachten ist auch die Anregerfrequenz. Je nach Werkzeug zur Anregung werden bestimmte Frequenzen im Probekörper erzeugt. Ein größerer Hammer führt zum Beispiel zu überwiegend tiefen Frequenzen, was zu Problemen im oberen Frequenzbereich führt, da dieser nur noch minimal detektierbar ist. Die Software berücksichtigt die Stärke der Einwirkung (hier: wie stark der Hammer auf dem Probekörper einschlägt), um Messungen miteinander vergleichbar zu machen, indem sie die Frequenzen mit Korrekturfaktoren versieht. Wenn die schwer detektierbaren Frequenzen (hier im hohen Bereich) mit einer geringen Intensität dann mit einem dementsprechend kleinen Faktor berücksichtigt werden, kann dadurch ein größerer Fehler entstehen.

Um dem vorbeugen zu können, sollte der zu messende Frequenzbereich (Bandbreite), abhängig von der Anregung, eingegrenzt werden.

Abbildung 7: Messprinzipien der drei Schwingungsformen am Primsa aus [3]

Versuchsaufbau

Auf das Mörtelprisma (siehe Abbildung 8) wird ein Raster aufgetragen. Dieses wird dreidimensional in der Software eingegeben. Danach wird die Position des Sensors festgelegt und das Raster an den einzelnen Punkten mit einem Hammer, der mit dem Rechner verbunden ist, abgearbeitet, wobei die Position (in diesem Fall die Nummer des Messpunktes) am Rechner angegeben werden muss.

An den verschiedenen Punkten stellen sich Amplituden in Abhängigkeit der Frequenz ein (siehe Abbildung 9).

Hieraus können die Frequenzen mit den größten Amplituden („peaks“) abgelesen werden. Über diese Frequenzen und die bekannte Lage des Messpunktes auf dem Raster kann die Art der Schwingung von der Software bestimmt und visualisiert werden.


Abbildung 8: Verwendetes MörtelprismaAbbildung 9: Amplituden der Frequenzen an an einem Messpunkt

Berechnung der elastischen Parameter

Das Mörtelprisma hat folgende Eigenschaften:

m = 0,573 kg

b = 40 mm

h = 40 mm

l = 160 mm

\rho = 2,24 kg/dm^3

Bei der Schwingungsanalyse stellen sich für die Grundschwingungen (k = 1,0) folgende Frequenzen ein (siehe Abbildung 9):

f_{tors} = 7704 Hz

f_{long} = 12402 Hz

f_{flex} = 5499 Hz

Hieraus kann man sich den Schubmodul berechnen:

G = \frac{f_{tors}^2}{k^2} * \frac{m * l}{A} * 4 * R   (Gl. 10)

mit:

k = 1,0

R = 1,183

-> G = 16099 N/mm^2

Die Poissonzahl, die in der Regel auch nicht bekannt ist, kann iterativ bestimmt werden. Dafür wird über eine angenommene Poissonzahl und der flexuralen Schwingung das E-Modul mitbestimmt:

E = \frac{f_{flex}^2}{(2k + 1)^4} * \frac{m * l^3}{I} * \frac{64}{\pi} * T   (Gl. 14)

Mit dem errechneten Elastizitätsmodul und dem bekannten Schubmodul kann über folgende Gleichung eine bessere Abschätzung der Poissonzahl erreicht werden:

v = \frac{E}{2 * G} - 1   (aus Gl. 8)

Mit der neuen Abschätzung kann wiederum das E-Modul über Gleichung 14 berechnet werden. Diese Iterationsschritte werden so oft ausgeführt, bis sich die Poissonzahl und der Elastizitätsmodul nicht mehr verändern oder die Veränderung kleiner als eine vorgegebene Fehlertoleranz ist.

Es ergeben sich dabei folgende Werte:

v = 0,12

T = 1,35

E = 36015 N/mm^2

Zusätzlich wird der E-Modul über die Longitudinalschwingung berechnet:

C = 1,001

E = 35279 N/mm^2

Die beiden Elastizitätsmoduln unterscheiden sich um 2,1%. Diese Diskrepanz ergibt sich durch die nach oben begrenzte Bandbreite des eingesetzten Hammers, da dieser die hohen Frequenzen nicht so stark anregen kann wie die tiefen.

Abschließend können daraus noch die Geschwindigkeit der Kompressionswelle v_p und die Geschwindigkeit der Scherwelle v_s abgeleitet werden:

v_p = \sqrt{\frac{G * (4 * G - E)}{\rho * (3 * G - E)}}   (Gl. 16)

v_s = \sqrt{\frac{G}{\rho}}   (Gl. 17)

Es ergeben sich dadurch folgende Wellengeschwindigkeiten:

v_p = 4077 m/s

v_s = 2682 m/s

Literatur

  1. Große, Christian: Grundlagen der zerstörungsfreien Prüfung (Arbeitsblätter im Rahmen der Vorlesung Zerstörungsfreie Prüfung (Teil I + II)). TU München, 2011.
  2. Beddoe, Robin: Skriptum zur Veranstaltung Werkstoffmodellierung. TU München, 2009.
  3. Weiler, Bernd; Große, Christian: Elastic Constants – Their dynamic Measurement and calculation.