Die Theorie des Supply Chain Managements (SCM; Management der Wertschöpfungskette) bietet Ansätze zu einer Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette. Sie umfasst die prozessorientierte Gestaltung, Planung und Steuerung aller Material-, Informations- und Werte-Ströme vom Kunden bis zum Rohstofflieferanten, mit dem Ziel, Wertschöpfungspartner in einer win-win-Beziehung zu integrieren, und so die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Logistikkette zu steigern.

Um allerdings eine erfolgreiche Verknüpfung der Logistiksysteme von Lieferanten und Kunden mit den eigenen Strukturen erreichen zu können, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen.

Rahmenbedingungen für SCM

Der erste Schritt hierzu ist eine interne Neu-Organisation des jeweiligen Unternehmens und seiner Abläufe, so dass diese sich nahtlos in die Supply Chain einfügen lassen. Wenn die Partner diese Voraussetzung bereits erfüllen können, ist die notwendige Basis für eine Einführung von SCM gegeben. Weitere wesentliche Rahmenbedingungen bzw. Erfolgsfaktoren sind im Folgenden aufgelistet und erläutert:

  • Steuerung durch eine zentrale Instanz
  • Durchgängige Transparenz
  • Qualität der Informationen
  • Verteilung von Einsparpotenzialen
  • Dauer der Kooperation

Bei einer Betrachtung der gesamten Lieferkette sollen alle beteiligten Produktions- und Handelsstufen mit einbezogen werden. Somit ist es nötig, dass all diese "Stationen" in Echtzeit mit den benötigten Informationen versorgt werden. Um dies sicherstellen zu können, müssen Planung, Entscheidungsfindung und die daraus resultierenden Anweisungen von einer zentral organisierten Stelle aus an alle Beteiligten weitergeleitet werden. Diese ist sowohl für die Planung und Steuerung der Prozesse und Abläufe, als auch für die gesamte SC-Infrastruktur zuständig.

Die zentrale Instanz erhält von den Prozesspartnern die benötigten Informationen über Produktionsplanung, Kapazitäten, Auftragseingänge, Bestände usw. An Hand einer geeigneten Auswertung leitet sie entsprechend die Daten ab, die für die Planung der einzelnen Fertigungsstufen notwendig sind und leitet diese an die jeweiligen Abteilungen bzw. Lieferanten weiter. Auch für eine fertigungsgerechte Abwicklung der Anlieferprozesse zeichnet die Steuerungsstelle verantwortlich, so dass sie eine ganzheitliche Sicht über die gesamte logistische Lieferkette besitzt.

Für die Koordination und Leitung dieser Instanz bestehen im Großen und Ganzen drei verschiedene Ausprägungen, die sich alle auf unterschiedliche Art und Weise in der industriellen Praxis bewährt haben: In den meisten Fällen findet sich die koordinierende Stelle als Planungs- und Steuerungsinstanz beim OEM, da dort Produktionspläne, wie auch -änderungen am frühesten bekannt sind. Aber auch eine Koordination durch den Direktlieferanten oder einen "neutralen Dritten", wie z. B. einen Logistikdienstleister, ist möglich.

Einen weiteren wesentlichen Punkt bei der Verwirklichung eines effizienten Supply Chain Managements stellt die dazu notwendige Transparenz durch eine Offenlegung der benötigten Daten dar. Dazu zählen vor allem alle wesentlichen Steuerungsparameter, wie z. B. Bestand, Transportkosten, Produktionskapazitäten usw. in allen relevanten Bereichen. Jedoch neigen die Prozesspartner oft dazu, Informationen und Daten nur unvollständig an die übrigen Beteiligten bzw. die zentrale Instanz weiterzuleiten, da sie ansonsten Nachteile für ihr Unternehmen befürchten.

So geben die Hersteller in der Automobilbranche oft nicht alle nötigen Informationen an ihre Zulieferer weiter, da sie nicht bereit sind, eventuelle "Firmengeheimnisse" offen zu legen. Auch die Lieferanten machen meist keine Angaben über ihre Kapazitätsauslastungen, weil sie bei Minderauslastungen Preisreduzierungen von Seiten des OEM befürchten.

Den Beteiligten fehlt meist das nötige Vertrauen, um ihre Daten gegenüber den anderen ohne Bedenken offen zu legen. Um aber diese Kooperationsgrundlage erreichen zu können, müssen sich alle Partner sicher sein können, dass ihnen durch ihre Offenheit keine Nachteile entstehen. Eine wirkliche Vertrauensbasis lässt sich allerdings meist erst nach längerer Zusammenarbeit erreichen, selbst wenn alle Prozessbeteiligten von Anfang an "Loyalität" zusichern.

Um ein effizientes Supply Chain Management erreichen zu können, ist auch die Qualität der verwendeten Daten von entscheidender Bedeutung. Diese Problematik beginnt meist schon innerhalb der beteiligten Unternehmen. Meist verfügen sie nicht über eine durchgängige Logistik-IT-Lösung und haben somit keine ganzheitliche Sicht auf Kosten, Aufträge und Bestände. Erst wenn dies aber möglich ist, können Potenziale für Zeit- und Kosteneinsparungen aufgedeckt und entsprechend ausgeschöpft werden. Dazu benötigt man allerdings ganzheitliche Logistikkonzepte, die neben der Distribution auch die Zahlungsabwicklung und das Retourenmanagement umfassen. Nach Erfüllung dieser Grundvoraussetzung können die Lieferanten bzw. Kunden in den SCM-Prozess mit einbezogen werden.

Diese Problematik setzt sich allerdings auch über die Unternehmensgrenzen hinaus fort: Meist verwenden auch OEM und Lieferanten unterschiedliche IT-Systeme. Müssen nun die Daten untereinander ausgetauscht werden, treten ähnliche Konflikte wie innerhalb eines einzelnen Unternehmens auf. Das größte Problem ist allerdings, dass die Vermittlung dieser Daten an andere Prozesspartner mit Konvertierungen und damit meist mit übermäßigem Mehraufwand verbunden ist, der sich natürlich auch in den Kosten niederschlägt.

Eine zusätzliche Anforderung an ein SCM-System stellt zudem die echtzeitfähige Übermittlung der Informationen. Vor allem bei sehr komplexen Lieferketten, die sich über unterschiedliche Kontinente und Zeitzonen erstrecken, stellt es oft eine Schwierigkeit dar, in Echtzeit Informationen zu verteilen, besonders wenn eine Überprüfung der Daten erfolgen soll. Verzichtet man allerdings auf diese, kann es bei nicht konsistenter oder gar fehlerhafter Datenhaltung zu einem Qualitätsverlust der der übermittelten Daten und somit auch der daraus resultierenden Planungen kommen.

Vorteile, die man sich von einer Betrachtung und Verknüpfung der gesamten Lieferkette verspricht, sind zum einen der Zeitgewinn bei der möglichen Verkürzung der Produktionszeit , zum anderen - und dies sicher noch mehr - ein Potenzial zur Steigerung der unternehmenseigenen Profitabilität bzw. zur Minimierung der Logistik- und Planungskosten.

Effektiv kann eine Supply Chain allerdings nur dann sein, wenn die Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen auch "funktioniert", so dass derartige Gewinne oder Einsparungen überhaupt erst entstehen können. Nun ist es nur sinnvoll, dass alle, denen bei der Umsetzung von SCM-Maßnahmen Aufwand entstanden ist, auch am daraus resultierenden Nutzen teilhaben wollen. In der Praxis allerdings lässt sich dies nur schwer umsetzen, da auf Grund der zentralisierten Planung oftmals unvermeidbar einige Mitglieder zum Nutzen der gesamten Supply Chain schlechter gestellt sein werden. Zudem gestaltet sich die Aufteilung der erzielten Gewinne meist derart aufwendig und ohne das Vorhandensein einer ausreichenden Vertrauensbasis zu schwierig, als dass dies tatsächlich umzusetzen wäre. So ist es meist unmöglich, jedem - seinem persönlichen Aufwand entsprechend - auch einen angemessenen Gewinnanteil zukommen zu lassen, weshalb die Partner meist von Anfang an dieser Art der Kooperation gegenüber negativ eingestellt sind.

Wie bereits aus den obigen Punkten ersichtlich, kann eine Verknüpfung der Wertschöpfungskette nur dann wirklichen Erfolg haben, wenn die Geschäftsbeziehungen der Partner auf langfristige Kooperation ausgelegt sind. Bei kurz- oder mittelfristigen Beziehungen mangelt es meist schon an Akzeptanz der dominierenden Steuerungsinstanz gegenüber. Auch fehlt oft die nötige Vertrauensbasis für einen effektiven Austausch von Produktions- und Kapazitätsdaten, die IT-Systeme sind meist nicht aufeinander abgestimmt und erschweren somit die Erhaltung der Datenqualität.

Um den Aufwand bei der Konfiguration einer "funktionsfähigen" Supply Chain sowohl in organisatorischer und informationstechnischer, als vor allem auch in finanzieller Hinsicht rechtfertigen zu können, bieten sich eigentlich nur längerfristige Beziehungen zwischen den Prozesspartnern an. Allerdings ist es nicht unbedingt notwendig, dass die Beziehungen zwischen den Geschäftspartnern bereits seit Jahren gefestigt sind. In vielen Fällen vereinbaren OEM und Lieferant heute eine feste Bindung bereits über die komplette Lebenszeit eines Produktes bzw. eines Modells. Durch so genannte Life Cycle Contracts kann zudem eine klare Bereichsabgrenzung geschaffen werden, da sie auf bestimmte Teilegruppen beschränkt sind.

Voraussetzungen für eine Umsetzung von Supply Chain Management

Die erfolgreiche Einführung von Supply Chain Management lässt sich nicht ohne weiteres bewerkstelligen. Sind jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt, ist eine erfolgreiche Umsetzung mit verringerten Widrigkeiten möglich.

Vereinfacht wird die Implementierung vor allem in den folgenden Fällen:

  • Bei einem zentral gesteuerten Unternehmen, das selbständig Vor- und Hauptproduktion übernimmt und somit in einem integrierten Produktionsverbund tätig ist.
  • Bei einem OEM mit ausgeprägter Marktmacht gegenüber den beteiligten Lieferanten, der somit Entscheidungen durchsetzen kann.
  • Bei Partnerschaften mit klar definierten Schnittstellen und langfristig angelegten Geschäftsbeziehungen, wie z. B. in der Automobilindustrie beim Outsourcing von internationalen CKD-Anlieferketten an Dienstleister.
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