Marius Gell, Wintersemester 2011/12
English translation
Pfähle aus Beton, Stahl oder vereinzelt auch Holz werden im Bauwesen für tiefe Gründungen benutzt. Es gibt verschiedene Pfahltypen (Bohrpfähle, Verdrängungspfähle, Mikropfähle, usw.), die sich in Herstellungsweise, Durchmesser und Material unterscheiden. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn der anstehende Boden so wenig tragfähig ist, dass eine Flachgründung nicht geeignet ist. Durch seismische Methoden können sie auf Qualität und Mindestlänge überprüft werden.
Mit seismischen Methoden werden an Pfählen Längenmessungen durchgeführt. Zusätzlich wird überprüft, ob der Pfahl Qualitätsmängel (z.B. Risse, Querschnittsänderungen) aufweist. Seismische Methoden sind zerstörungsfrei. Die Gründung des zu prüfenden Bauwerks muss nicht freigelegt und/oder zerstört werden.
Bei neuen Pfählen werden diese Methoden, insbesondere die Pfahlintegritätsprüfung, zur Qualitätssicherung eingesetzt. Eine nachträgliche Messung der Pfahllänge ist bei Bestandsbauten erforderlich, weil oft keine ausreichenden Dokumentationen oder Pläne vorhanden sind. Aber auch bei Streitfällen und besonders hohen Genauigkeitsanforderungen werden indirekte Prüfverfahren wie seismische Methoden benutzt.
Im Bauwesen kommen als seismische Methoden hauptsächlich die Pfahlintegritätsprüfung sowie ergänzend die Parallel-Seismik-Methode zum Einsatz.
Der Haupteinsatzbereich der Parallel-Seismik-Methode ist die Längenbestimmung von Pfählen. Es wird die Laufzeit eines akustischen Signals, welches durch einen Hammerschlag auf den Pfahl erzeugt wird, gemessen. Dazu sind in einem parallel zum Pfahl niedergebrachten Bohrloch in regelmäßigen Abständen Sensoren angeordnet. Die durch den Hammerschlag eingeleiteten Wellen laufen durch Pfahl und Boden zu den Sensoren. Für die Messung maßgebende Wellen sind die Longitudinalwellen (P-Wellen), weil sie am schnellsten sind und man so den Ersteinsatz gut feststellen kann. Im Beton ist die Wellengeschwindigkeit der P-Welle c_P = 3500 – 4000 \frac{m}{s}, im Baugrund Lockermaterial etwa 300 – 2500 \frac{m}{s}. Während des Versuchs werden die genauen Wellengeschwindigkeiten aus den Messdaten gemessen und so das System „kalibriert“. Als Sensoren kommen Geophone oder Hydrophone zum Einsatz.
Es gibt drei verschiedene Auswerteverfahren für die Versuchsergebnisse.
Bild 1: Vesuchsaufbau [1] Grafik dank freundlicher Genehmigung von Dr. rer. nat. Ernst Niederleithinger |
Beim Knickpunktverfahren wird der Weg des Signals vom Pfahl zu den Sensoren im Bohrloch vernachlässigt. Das heißt es wird vereinfachend angenommen, dass die Sensoren direkt am Pfahl montiert wurden. Dadurch wird die Pfahllänge konsequent überschätzt.
Durch Geradenanpassung durch die Ersteinsätze in den Bereichen oberhalb und unterhalb des Pfahlkopfes ergibt sich ein Knickpunkt (siehe Bild 2). Wenn man vereinfachend annimmt, dass die Sensoren direkt am Pfahl montiert sind, so ist die Tiefe des Knickpunktes ungefähr gleich der Pfahllänge. Der Knickpunkt kommt zustande, weil das Signal zu Sensoren, die unterhalb des Pfahls liegen mehr Zeit braucht, weil es dann durch den Baugrund muss und die Ausbreitungsgeschwindigkeit in selbigem deutlich kleiner ist als im Pfahl. Die Steigung der beiden Geraden in Bild 2 gibt überdies Auskunft über die Wellenausbreitungsgeschwindigkeiten der P-Wellen im Bohrpfahl (obere Gerade) und im Baugrund (untere Gerade).
Bild 2: Ergebnis der Parallel-Seismik-Messung mit Hydrophonen an einer Spundwand [1] |
Das Verfahren nach Liao bietet eine Korrektur des beim Knickpunktverfahren gemachten Fehlers. Liao beschreibt quasi den exakten Wellenlaufweg, außer dass er bei der Berechnung den Pfahlradius vernachlässigt.
Gegenüber der Knickpunktmethode gibt es nach Liao einen Korrekturwert K.
L_{Liao} = L_K - K
K = \frac{c_{Pfahl}}{c_{Pfahl} - c_{Boden}} * F - \frac{c_{Boden}}{c_{Pfahl} - c_{Boden}} * z_{1 b}
F = \sqrt{D^2 + z_{1 b}^2}
z_{1 b} = D * tan \Theta_1
\Theta_1 = asin \left (sin \alpha_1 * \frac{c_{Boden}}{c_{Pfahl}} \right )
Die P-Wellengeschwindigkeiten werden wie beim Knickpunktverfahren durch Geradenanpassung an die Laufzeitäste ermittelt. Das Verfahren ist genauer und die gemessene Pfahllänge ist etwas kleiner als die exakte Pfahllänge. Somit ist man auf der „sicheren Seite“, wenn man bedenkt, dass die Tragfähigkeit mit steigender Pfahllänge größer wird.
Bild 3: Skizze zur Methode nach Liao [1] Grafik dank freundlicher Genehmigung von Dr. rer. nat. Ernst Niederleithinger |
Beim Verfahren nach Niederleithinger wurden Verbesserungen der bisherigen Auswerteverfahren vorgenommen. Die mathematisch/physikalischen Grundlagen (Ausbreitung der Wellen im Pfahl) wurden genauer berücksichtigt und eine automatisierte Auswertungsmethode der Messergebnisse eingeführt. Durch umfangreiche Parameterstudien wurde zudem der Einfluss von Randbedingungen wie Bohrloch- und Pfahlinklinationen, Material- und Querschnittänderung im Pfahl, Schichtgrenzen sowie Bodenparameter (z.B. ungesättigte Bodenzonen) erfasst. Einsatzbereiche wurden signifikant erweitert, aber auch Grenzen (z.B. Gründung in intaktem Fels, Bestimmung von Fehlstellen im Pfahl) der Parallel-Seismik-Methode festgestellt. Durch numerische Simulationen wurde der Mechanismus der Wellenausbreitung geklärt, so dass nicht nur die in bisherigen Verfahren genutzten Kompressionswellen, sondern auch die im Randbereich entstehenden Scherwellen in die Auswertung einbezogen wurden.
Mit dem neuen Verfahren können auch bei großen Abständen (2 - 3 m) zwischen Pfahl und Bohrloch brauchbare Ergebnisse erzielt werden. Durch Kombination verschiedener Inversionsverfahren (Berechnung von Materialparameter und Bodengeometrie aus geophysikalischen Messdaten) und der klassischen Auswertemethode (Systemantwort aus vorgegebener Geometrie) wurde ein automatisiertes, iteratives Auswerteverfahren entwickelt. So kommt man schneller zu Ergebnissen, die auch noch viel genauer sind.
Pfahlintegritätstests dienen der Qualitätssicherung von Betonpfählen. Wie bei der Parallel-Seismik-Methode dient auch hier ein Hammerschlag auf den Pfahlkopf als Impulsgeber. Die Stoßwelle läuft den Pfahl hinunter und wird am Pfahlfuß und an Fehlstellen reflektiert. Die reflektierte Welle wird durch einen Sensor (häufig ein Piezo-Beschleunigungsmesser) registriert.
Durch Integration der gemessenen Beschleunigungen erhält man die Schwingungsgeschwindigkeiten am Pfahlkopf. Bei einem qualitativ gut ausgeführten Pfahl entsteht im Amplituden-Zeit–Diagramm eine Auslenkung bei der Schlageinleitung und wenn das Signal, dass beim Pfahlfuß reflektiert wurde, wieder am Pfahlkopf ankommt.
Gibt es zwischen den beiden Hauptauslenkungen weitere Auslenkungen, so deutet dies auf eine Impedanzänderung (z.B. Querschnittsminderung) an diesen Stellen im Pfahl hin.
Durch Laufzeitmessung des Signals T_{gemessen} und durch die planmäßige Länge des Pfahls L_{Plan} kann auf die Wellengeschwindigkeit c geschlossen werden.
c = \frac{2 \times L_{Plan}}{T_{gemessen}}
Die Wellengeschwindigkeit in Beton liegt meist zwischen 3500 und 4200 \frac{m}{s}. Ist die gemessene Geschwindigkeit kleiner als 3500 \frac{m}{s}, so weist dies auf eine verminderte Betonqualität hin. Bei einer ermittelten Geschwindigkeit über 4200 \frac{m}{s} könnten die Pfähle kürzer als nach Plan sein. Die Pfahlintegritätsprüfung ist ein sehr kostengünstiges Verfahren. Durchführung und Auswertung der Messwerte erfordert allerdings Erfahrung und sollte von Fachpersonal durchgeführt werden.
Bild 4: Skizzierung des Versuchs [1] Grafik dank freundlicher Genehmigung von Dr. rer. nat. Ernst Niederleithinger |
Bild 5: Pfahlintegritätsprüfung an einem intakten Pfahl | Bild 6: Pfahlintegritätsprüfung an einem Pfahl mit Querschnittseinengung |
Schallwellen lassen sich in zwei unterschiedliche Wellenformen unterteilen: Raum- und Oberflächenwellen. Raumwellen bestehen aus P-Wellen (Kompressions- oder Longitudinalwellen) und S-Wellen (Scher- oder Transversalwellen). Bei der P-Welle ist die Schwingungsrichtung der Welle gleich der Ausbreitungsrichtung, bei der S-Welle sind die Richtungen senkrecht zueinander. Beim Hammerschlag auf einen Betonpfahl entstehen P- und S-Wellen. Weil P-Wellen am schnellsten sind, werden sie zur Auswertung der seismischen Messmethoden hergenommen. Es ist bei ihnen am einfachsten den Ersteinsatz festzustellen, weil es keine Überlagerung mit anderen Wellenarten gibt.
In einem homogenen isotropen undendlich ausgedehnten Halbraum hat die P-Welle eine Ausbreitungsgeschwindigkeit v_P = \sqrt{\frac{E * (1 - \nu)}{\rho *(1 - 2 \nu)*(1 + \nu)}} [\frac{m}{s}] und die S-Welle v_S = \sqrt{\frac{E}{2 * \rho * (1 + \nu)}} [\frac{m}{s}].
Mit: E: Elastizitätsmodul [\frac{N}{m^2}], \nu: Poisson-Zahl [-], \rho: Dichte [\frac{kg}{m^3}]