K. Flohr, Wintersemester 2013/14


Die Durchstrahlungsprüfung zur Schweißnahtprüfung fällt unter die Kategorie des Röntgenverfahrens, der Radiographie. Inhomogenitäten und Imperfektionen, u.a. Fehler in Schweißnähten, sind durch Intensitätsänderungen im Strahlenfeld anhand eines bildgebenden Verfahrens sichtbar abzubilden. Die Intensitätsänderungen im Feld sind bedingt durch Streuung und Absorption hochenergetischer Strahlen. Die Fehlerart und –größe sind mit dem Durchstrahlungsverfahren direkt sichtbar darzustellen.

Im Allgemeinen erhält man ein Schattenbild aller Unregelmäßigkeiten eines Prüfstückes. Hinter der Prüfzone ist ein Empfänger angeordnet während das Prüfstück durch radioaktive Strahlen aus einer kontrollierbaren Strahlungsquelle durchdringt wird. Die Strahlen werden an den Fehlstellen durch Streuung und Absorption unterschiedlich geschwächt und die dadurch erhaltene Bildinformation wird an den Empfänger weitergeleitet. Durch die gradlinige Ausbreitung der Röntgenstrahlen entsteht ein Schattenbild aller Unregelmäßigkeiten. Die abgeschwächten Stellen werden schwarzer dargestellt. Die Ursachen der Schwächung der Strahlenintensität sind verschiedenartig (siehe Röntgentomographie: Strahlungsschwächung).

Geschichtliches

Im Alter von 50 Jahren machte Conrad Röntgen (1845 - 1923) am 8. November 1895 in Würzburg eine epochale Entdeckung: Bei einem Experiment mit einer Kathodenstrahlröhre entdecke Röntgen die von ihm bezeichneten X-Strahlen zufällig. Ein abseits stehender Kristall leuchtete bei der Funkenentladung in der Röhre auf. Bislang unbekannte Strahlen mussten den Kristall offenbar zum Fluoreszieren bringen. Damit setzte Herr Röntgen einen Meilenstein für Wissenschaft, Technik und Medizin. Bei weiteren Versuchen setzte Röntgen eine Bariumplatinzyanid beschichtete Pappe ein, welche eine besonders starke fluoreszierende Wirkung hatte. Dies war der Geburtsort des ersten Röntgenbildes: Seine Fingerknochen warfen ein Schattenbild auf die Pappe, als er seine Hand zwischen dem Leuchtschirm und der Pappe hielt. 1901 erhielt Conrad Röntgen den Nobelpreis für seine Entdeckung. Im heutigen Sprachgebrauch werden diese Strahlen als Röntgenstrahlen bezeichnet. Im englischsprachigen Raum werden sie jedoch weiterhin als „X-Rays“ – X-Strahlen - benannt. 1896 entdeckte Antoine Henri Becquerel, dass Uranerz fotografische Platten schwärzen konnte. Marie und Pierre Curie erforschten das radioaktive Element Polonium 1898. Weiterhin erhielt Marie Skłodowska Curie als erste Frau 1903 den Nobelpreis für ihre Entdeckung des radioaktiven Elements Radium.

Um Ursachen von Schweißnahtfehlern besser erkennen zu können und dessen Folgen frühzeitig vermeiden zu können ist in der heutigen Technik eines der zerstörungsfreien Prüfungen für Schweißnahtfehler die Prüfung durch Durchstrahlungsverfahren. Eine besonders breite Anwendung findet die Durchstrahlungsprüfung bei stumpf- und durchgeschweißten Nähten. Wenig werden sie bei Kehlnahten verwendet, da diese linear und flächig sind. Diese Art der Fehlstellen sind schwer oder gar nicht zu erfassen.

Physikalische Grundlagen

Radiographie

In der heutigen Technik sind zwei Arten der Strahlung für ihre ionisierende Eigenschaft bekannt: Die elektromagnetische Strahlung, wie Röntgen- und Gammastrahlung, als auch die Teilchenstrahlung wie Alpha-, Beta- und Neutronenstrahlung. Eine ionisierende Wirkung bedeutet, dass die Strahlen genug Energie beinhalten um elektrisch neutralen Atomen und Molekülen eine positive oder negative Eigenschaft zu erzeugen. Für die Durchstrahlungsprüfung von Schweißnähten ist die elektromagnetische Strahlung von Bedeutung.

Eigenschaften der elektromagnetischen Strahlung:

  • Ionisierend
  • Lumineszenz- und fotografischer Effekt
  • Verändernde bzw. zerstörerische Wirkung chemisch und biologisch
  • Nicht detektierbar mit den menschlichen Sinnen
  • Geradlinige Ausbreitung mit Lichtgeschwindigkeit
  • Elektrische und magnetische Felder können die Ausbreitungsrichtung beeinflussen
  • Beugung an Grenzschichten unterschiedlicher Medien möglich
  • Grad der Durchdringung ist abhängig von der Energie der Strahlung und der Art der bestrahlten Materie
  • Die Ursprungsquelle entscheidet über Röntgen- oder Gammastrahlen
  • Durch Frequenz, Wellenlänge und Geschwindigkeit sind beide Strahlenarten charakterisierbar (c= f * λ)
  • Kleine „Energiepakete“ pro Zeiteinheit werden auch Photonen genannt (Welle-Teilchen Dualismus)

Röntgenstrahlung

Röntgenstrahlung kann durch die Bremsstrahlung oder durch den Prozess der K-Schalenemission erzeugt werden.

Durch das Abbremsen von Elektronen entsteht Röntgenstrahlung. Die Elektronen in einer Röntgenröhre zwischen Kathode und Anode werden am Anodenmaterial abrupt abgebremst. Dabei entsteht Energie, welche zu 99% als Wärme frei wird, 1% entweicht als Röntgenstrahlung.

Bremsstrahlung

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K-Schalenemission (charakteristische Strahlung)

Die Röntgenstrahlen der K-Schalenemission besitzen eine höhere Intensität im Vergleich zur Bremsstrahlung. Die Elektronen in der Röntgenröhre werden soweit beschleunigt, dass sie ein Elektron aus der inneren Schale des Anodenatoms herausschlagen. Dieser unbesetzte Platz bleibt jedoch nur ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde bestehen, wonach er sogleich von einem Elektron aus einer höheren Schale des Anodenatoms besetzt wird. Bei diesem Niveausprung wird Energie in Form eines Röntgenquants frei. Der Grund für die frei werdende Energie liegt an den Energieniveaus der verschiedenen Schalen. Während die Elektronen in den inneren Schalen ein kleineres Energieniveau erfahren, besitzen die Elektronen in den äußeren Schalen einen höheren. Die Wellenlänge (bzw. Energie) dieses Quants ist charakteristisch für eine jeweilige Atomart, deswegen wird sie neben der K-Schalenemission auch als „charakteristische Strahlung“ bezeichnet.

Gammastrahlung

Der Unterschied zwischen Röntgenstrahlung und Gammastrahlung ist lediglich der Ursprungsort der Strahlung. Im Gegensatz zu den Röntgenstrahlung entstammt die Gammastrahlung einer natürlichen Strahlungsquelle. Art und Größe der Quelle entspricht der Intensität der Energie der Strahlung. Typisch eingesetzt werden heute Isotope wie Iridium 192 (92IR), Kobalt 60 (60Co) und Selen 75 (75Se). Je nach Art des Zerfalls wird neben der Gammastrahlung auch die Teilchenstrahlung frei.

Geräte

Röntgenanlagen

Das Prinzip einer Röntgenanlage besteht aus einer evakuierten Glasröhre, die in einem Metallgehäuse eingearbeitet ist und eine Kathode und Anode enthält. Die Kathode ist an einem Heizgenerator angeschlossen. Zwischen Kathode und Anode wird eine Spannung mittels Hochspannungsgenerator angelegt. Sobald die Spannung hochgefahren wird, entsteht ein Elektronenstrahl, welcher auf ein Target beschleunigt wird, der sich über einem Austrittsfenster befindet. Dieses Target ist in dem Metallgehäuse eingearbeitet und wird durch einen externen Wasserkreislauf gekühlt.

Anwendungsbereich

  • Rissprüfung an verdecken Bauteilen, z.B. mehrlagige Strukturen
  • Schweißnahtprüfung, Lötverbindungen
  • Fremdkörperkontrolle
  • Materialüberprüfung

Vorteile

  • Verdeckte Teile prüfbar, nicht nur Oberflächenverfahren
  • Fehlerfrom und –größe sichtbar
  • Kein direkter Zugang zum Prüfbereich erforderlich
  • Voluminöse Fehler wie Poren, Einschlüsse, Warmrisse und Schweißnahtfehler besonders gut sichtbar
  • Vielseitiges und universelles Prüfverfahren

Nachteile

  • Begrenzte Materialdicken prüfbar
  • Fehlererkennbarkeit relativ zur durchstrahlten Dicke
  • Für Risse nur gezielt anwendbar
  • Fehlerlage muss bekannt sein
  • Fehlertiefenbestimmung schwierig
  • Zeitlich und apparativ aufwendig
  • Strahlengefährdung
  • Hoher Schulungsaufwand

Gammastrahlengeräte

Aufgrund der natürlichen Strahlenquelle ist das Prinzip eines Gammastrahlers recht einfach. Um die Strahlen lenken zu können wird der Strahler entsprechend abgeschirmt. Der Strahler befindet sich eingefahren im Transportbehälter, einer dickwandigen Metallverkleidung, die das Austreten von Strahlen verhindert. Angeschlossen an diesem Transportbehälter ist eine Fernbedienung, ein großer Bowdenzug-Trommel mit Kurbel und auf der anderen Seite ein Kollimator. Ein Kollimator ist ein Aufsatz, der die Strahlung des Isotops lenkt. Der Strahlführer muss einfach an das Werkstück herangeführt werden.

Anwendungsbereich

  • Schweißverbindungen aller Art
  • Aluteile
  • Schwere Gussteile (Dicken bis ca. 100 mm)
  • Turbinenschaufeln
  • Wellen
  • GFK/CFK
  • Dickwandige industrielle Rohrleitungen
  • Stahlbeton (Dicken bis ca. 300 mm)

Vorteile

  • Strom und Wasser unabhängig
  • Leichte Handhabbarkeit, kleine Abmessungen der Ausrüstung
  • Geringerer Platzbedarf, z.B. Prüfung von Schweißnähten an Rohren kleinerer Durchmesser von innen nach außen
  • Höheres Durchdringungsvermögen als bei den Röntgenröhren, Energie von 200 keV bis 1,33 MeV

Nachteile

  • Schlechtere Bildqualität gegenüber Röntgenröhrenaufnahmen
  • Keine Abschaltung der Strahlung
  • Keine Regulierbarkeit der Energie der Strahlung

Radiografische Aufnahme

Unterschieden wird zwischen zwei Arten der radiografischen Aufnahme in der Strahlentechnik. Zum einen die klassische Filmradiografie und zum anderen die moderne digitale Radiographie.

Filmradiografie

Den Beginn der radiografischen Aufnahme machte die Filmradiografie und somit hat die Technik eine langjährige Erfahrung mit dieser Aufnahmeart. Mikroskopisch kleine Silberbromid-Körner füllen die Filme aus. Bei Strahlungseinwirkung zerfallen sie in ihre Bestandteile. Der Film befindet sich in einer lichtdichten Kassette, da er vor sichtbarem Licht geschützt werden muss. Die Filme werden ebenfalls wie in der Fotografie in der Dunkelkammer entwickelt.

Digitale Radiographie

Im Gegensatz zur Filmradiografie benötigt die moderne digitale Radiographie kein Filmmaterial und keine Entwicklung der Bildaufnahme in einer Dunkelkammer. Durch spezielle Phosphorbildschirme oder flache Panele mit mikroelektronischen Sensoren werden digitale Radiogramme aufgezeichnet. Vorteilhaft ist die relativ einfache Archivierung. In der heutigen Radiographie gibt es eine Reihe von digitalen Aufnahmetechniken:

  • Computerradiografie (CR)
  • Echtzeit Radiographie (Real time Radiography, auch RTR)
  • Direkt Radiographie (DR)
  • Computertomografie (CT)

Fehlerdetektion

Die Fehlerdetektion beruht u.a. auf dem Prinzip des Dichteunterschiedes. Zwischen Fehlstelle und Grundmaterial liegt der Unterschied in der Dichte. Sehr gut zu erfassen sind Volumenfehler, wobei jedoch flächige und lineare Fehler, die mit der Kante zur Strahlenquelle liegen, schwer oder gar nicht zu erfassen sind. Hilfreich dabei kann das Drehen des Prüfkörpers sein, oder das Verschieben des Strahlers.

Bildqualität

Die Bildqualität wird durch den Kontrast und der Schärfe bestimmt. Weitere Einflussfaktoren ist die Materialart, -dicke, Strahlungsenergie, Objektfläche und Objektabstand.

Kontrast

Als Kontrast wird der Intensitätsunterschied zwischen einem Objekt und seiner Umgebung bezeichnet. Der Kontrast ist durch Parameter wie die Verringerung der Energie bei Röntgenstrahlern und die Verringerung von Streustrahlung regulierbar. Dabei könnten Blenden, Seiten-, Rand- und Rückenabdeckungen hilfreich sein. Auch von der Werkstoffdicke, Dichte, Masse- sowie Ordnungszahl des Materials und der Qualität des Strahlers wird der Kontrast beeinflusst.

Schärfe

Der Bereich der Schärfe wird einmal von der geometrischen Unschärfe bestimmt. Dieser hängt mit dem Abstand vom Fokus zum Objekt zusammen. Desweiteren ist die innere Unschärfe von Relevanz. Diese ist abhängig von der Körnigkeit des Films. Ein feinkörniger Film erschafft eine höhere Auflösung der Fehlerabbildung. Im Gegensatz dazu verspricht ein grobkörniger Film geringere Belichtungszeiten.

Bildgüte

Die Bildgüte wird durch amtlich geprüfte Drahtstege nach DIN bzw. ASTM bestimmt. Sie werden zusammen mit dem Bauteil durchstrahlt. Die Bildgütezahl (BGZ) und damit das Maß der Fehlernachweisbarkeit signalisiert das dünnste gerade noch erkennbare Draht.

Grundprinzip

Bei der Durchstrahlungsprüfung wird die Dichte eines Prüfkörpers auf einem Röntgenfilm abgebildet mithilfe eines Strahlers, eine Röntgenröhre oder einem Isotop. Verschiedene Schwärzungen kennzeichnen unterschiedliche Dichte oder Dicke eines Bauteils. Umso dichter und dicker ein Bauteil ist, umso weniger Strahlung kann es durchdringen und somit erhält man eine geringere Schwärzung des Films. Besonders gut ist die Durchstrahlungsprüfung für Volumenfehler geeignet. Je höher der Dichteunterschied, desto besser die Nachweisbarkeit. Jedoch auch feine Rissen können mit unterschiedlichen Einstrahlwinkeln aufzufinden sein. Der Abstand zwischen Strahlungsquelle und Film wird in Abhängigkeit zur Werkstoffdicke optimiert, so ist ein genügend kontrastreiches und scharfes Bild erzielbar. Ein zu geringer Abstand vergrößert die geometrische Unschärfe und ein zu großer Abstand verringert die Intensität und erhöht die Belichtungszeiten. Die Qualität der Röntgenaufnahme und die Zulässigkeit einer Auswertung erlaubt die Bildgüteklasse. Bei der Röntgenaufnahme kann die Fehlerart, Fehlergröße, Fehlerform und Fehlerverteilung bestimmt werden. Für Schweißnähte gelten besondere Bewertungsvorschriften. Kleine Fehlstellen geringer Anzahl sind je nach Anwendungsfall zugelassen. Die Größe und die Form werden eindeutig abgezeichnet, jedoch erlauben nur Mehrfachaufnahmen aus verschiedenen Richtungen eine Aussage über die Tiefenlage. Aufgrund der Schwächung der Strahlen an Fehlstellen beim Durchdringen des Prüfkörpers, entsteht auf den Röntgenfilm ein Schwärzungsunterschied, durch den der Fehler erkennbar wird.

Im Gegensatz zur Ultraschallprüfung erlaubt die Durchstrahlungsprüfung eine eindeutige Aussage über die Fehlerart. Jedoch sind die prüfbaren Materialdicken wesentlich geringer und die Prüftechnik ist aufwendiger.

Arbeitsschutz

Da ionisierende Strahlung sowohl eine chemische als auch biologische Wirkung zeigt, ist ein Strahlenschutz unerlässlich. Welche Jahresdosis Personen maximal zugemutet werden darf, ist in der Strahlenschutz-Verordnung (StrlSchuV) und Röntgen-Verordnung (FöV) genau festgelegt. Bleichmäntel, Blenden und Filter dienen zum Schutz vor Strahlung. Personal, das die Röntgenanlagen bedient, muss eine „Plakette“ tragen, in welchem sich ein Röntgenfilm befindet, durch dessen Schwärzung die Strahlendosis ermittelt werden kann. Grundsätzlich gilt in jedem Fall das „AZA-Prinzip“: Zu beachten ist zu jeder Zeit der größtmögliche Abstand (A), die geringstmögliche zeitliche Belastung (Z) und die bestmögliche Abschirmung (A). Die Strahlenprüfung ist lediglich von ausgebildetem Personal auszuführen unter speziellen Sicherheitsvorkehrungen.

Literatur

  • Detusch, V.: Zerstörungsfreie Prüfung in der Schweißtechnik. DVS-Verlag GmbH. Düsseldorf, 2001.
  • Große, C.: Skriptum. Grundlagen der Zerstörungsfreien Prüfung. WS 2013/2014.
  • Lossau, N.: Röntgen. Rotolito Lombarda. Mailand, 1995.
  • Örtl, R.: Zerstörungsfreie und zerstörende Schweißnahtprüfung. WEKA MEDIA GmbH & Co. KG. 2007.