Julius Fink, Wintersemester 2011/12
Im Bauwesen ist es erforderlich, das Erstarrungs- und Verhärtungsverhalten von Frischbeton zu charakterisieren. Dies ist beispielsweise beim Gleitschalungsbau notwendig, bei dem der frühestmögliche Ausschalungszeitpunkt bestimmt werden muss, um wirtschaftlich und dennoch qualitativ hochwertig arbeiten zu können. Ein großer Nachteil von derzeit angewendeten Methoden zur Ermittlung des Erstarrungs- und Verhärtungsverhalten, wie der Vicat-Nadelversuch oder beim Penetrationsverfahren ist, dass diese Methoden meist nur eine Momentaufnahme der Werkstoffeigenschaften ergeben und sich mit ihnen der Hydratationsverlauf nicht kontinuierlich untersuchen lässt. [1]
Zusätzlich sind oft Aussagen über die Wirkungsweise von Betonzusatzmittel oder genaue Aussagen über Beton-Mörtelmischungen gefragt. Hier kommt die Ultraschalltechnik ins Spiel. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit, die Dämpfung und der Frequenzgehalt von Ultraschallwellen vom Medium abhängen und damit vom Erstarren und Erhärten des Betons, ist die Ultraschallmessung dafür besonders geeignet. [2]
In der Ultraschalltechnik gibt es eine Reihe von verfahrenstechnischen Möglichkeiten, um Aussagen über den Erstarrungsverlauf von Frischbeton zu ermitteln. In diesem Artikel wird das Durchschallungsverfahren, also die Transmission von Ultraschallwellen, durch Frischbeton näher beschrieben.
Beim Durchschallungsverfahren macht man sich zunutze, dass die Art, wie sich eine Welle eines Ultraschallsignals durch einen Probekörper ausbreitet, bestimmten physikalischen Gesetzen unterliegt. Verschiedene Messgrößen des Wellenfelds, wie z.B. die Wellengeschwindigkeit, die Amplitude der Signale und ihr Frequenzgehalt werden durch Materialkenngrößen verändert und können zur Beurteilung des Objekts verwendet werden. [2]
Eigenschaften des Materials, welche die Ausbreitung von Ultraschallwellen beeinflussen, sind:
Bei der Frischbetonuntersuchung ist vor allem die Tatsache interessant, dass es somit einen direkten Zusammenhang zwischen den Betonparametern und Ultraschall-Signalparametern, wie Wellengeschwindigkeit, -amplitude und -frequenzgehalt gibt. Betonparameter können hierbei der Wasser-Zement-Wert, der Luftporengehalt, die Konsistenz, die Endfestigkeit und die Wirkung von Zusatzmitteln sein. Die wichtigste Messgröße zur Beurteilung der Erhärtung von Frischbeton ist dieWellenausbreitungsgeschwindigkeit. Diese bekommt man aus dem Zusammenhang der Zeit t welches ein Signal benötigt, um eine bestimmte Strecke s eines Mediums zu durchlaufen (v = \frac{s}{t}).
Zusätzlich zum Material wird der Ultraschallimpuls durch jedes Gerät, das an der Messung beteiligt ist, verändert. Um Materialeffekte sauber von Messeffekten trennen zu können, ist sicher zu stellen, dass diese Einflüsse minimal oder zumindest bekannt sind. [2] Bei der Messung in Durchschallung zur Frischbetonuntersuchung sind mehrere Messgeräte, wie z.B. Ultraschallsensoren oder Signalverstärker beteiligt, welche die Signalauswertung beeinflussen. Es ist somit notwendig zu wissen, wie sich die einzelnen beteiligten Messgeräte auf die Messung auswirken und wie man diese Einflüsse evtl. rechnerisch berücksichtigen kann.
Bei Durchschallung zur Frischbetonuntersuchung handelt es sich um ein aktives Prüfverfahren, bei welchem ein Ultraschallsignal von einer Signalquelle erzeugt wird, dann durch einen Körper transmittiert und an einer anderen Stelle von einem Sensor aufgezeichnet wird. Dabei ist die Strecke, die das Signal durchläuft konstant und bekannt. Um die Geschwindigkeit berechnen zu können wird die Zeit gemessen, welche das Signal benötigt, um von der Signalquelle durch das Medium zum Empfänger zu gelangen (Abbildung 1).
Nun werden diese Laufzeiten kontinuierlich während der Erstarrung von Frischbeton gemessen. Daraus ergeben sich verschiedene Wellengeschwindigkeiten. Trägt man diese in einem Diagramm in Abhängigkeit des Betonalters ab, bekommt man charakteristische, oft s-förmige, Kurven, welche die Erhärtung und Erstarrung bildhaft festhalten und quasi eine Art Fingerabdruck des untersuchten Materials liefern. [2] Abbildung 2 zeigt beispielhaft den Verlauf der Geschwindigkeiten von Beton mit Zugabe verschiedener Zusatzmittel in Abhängigkeit fortlaufender Erhärtung. Vergleichbare Kurven lassen sich für alle erhärtenden Materialien wie z.B. Mörtel oder Beton erstellen und vergleichen.
Abbildung 1: Prinzipskizze für Ultraschallmessungen in Durchschallung | Abbildung 2: Beispiel der Wirkung verschiedender Betonzusatzmittel auf den Geschwindigkeitsverlauf des Ultraschallsignals während der Frischbetonhärtung [1] |
Das Grundverfahren basiert auf der Laufzeitmessung der Kompressionswelle und eignet sich gut für die Bestimmung der Wirkungsweise verschiedener Betonzusatzmittel. Eine Weiterentwicklung des Verfahrens stellt der Einsatz von Scherwellen dar. Mit der zusätzlichen Information der Scherwellengeschwindigkeit lassen sich aus diesen Zusammenhängen:
\sigma_{dyn} = \dfrac{\frac{1}{2} * v_p^2 - v_s^2}{v_p^2 - v_s^2} (1)
E_{dyn} = \dfrac{(1 + \sigma_{dyn}) * (1 - 2\sigma_{dyn})}{(1 - \sigma_{dyn})} * v_s^2 * p_c (2)
G_{dyn} = \dfrac{E_{dyn}}{2 + 2\sigma_{dyn}} = v_s^2 * p_c (3)
Werkstoffparameter, wie das dynamische Elastizitätmodul E_{dyn} und das dynamische Schubmodul G_{dyn} direkt ermitteln. Im Gegensatz zum oben genannten Verfahren werden hier Sensoren verwendet, die sowohl auf Kompressionswellen als auch auf Scherwellen sensitiv sind. Dieses dynamische Verfahren bietet somit eine genaue Lösung zur Bestimmung von dynamischen Werkstoffparametern.
Das vom Sensor detektierte Signal gibt noch nicht direkt eine Zeitinformation. Diese muss erst ermittelt werden. Dazu betrachtet man sich das Signal genau und bestimmt einen Zeitpunkt, an dem der Erstansatz des Signals zu erkennen ist. Dabei unterscheidet man zwischen der Kompressionswelle (p-Welle) und der Scherwelle (s-Welle), wobei die p-Welle stets schneller als die s-Welle ist. In diesem Zusammenhang spricht man vom Picken des Erstansatzes. In Abbildung 3 ist ein typisches Signal dargestellt, bei welchem der Erstansatz der p-Welle bzw. s-Welle aufgezeigt ist. In der Praxis sind diese Signale von Reflexionen und Rauschen verunreinigt, wodurch das genaue Picken des Erstansatzes ein großes Problem darstellt. Jedoch ist die möglichst genaue Bestimmung des Ersteinsatzes die Grundvoraussetzung für die Berechnung der exakten Schallgeschwindigkeiten[1], weshalb hierauf großes Augenmerk gelegt wird. In der Praxis übernimmt eine speziell dafür entwickelte Software auf Grundlage von Signalformanalyse und Frequenzinformationen diese Arbeit, wobei bestimmte Eingabeparameter vom Messenden festgelegt und kontrolliert werden müssen.
Abbilung 4 zeigt beispielhaft das Ergebnis einer Messreihe mit Scherwellen an einem Beton während der Erhärtung. Dabei können drei verschiedene Bereiche identifiziert werden: [1]
Abbildung 3: Ultraschallsignal [3] | Abbildung 4: Intensitätsgraph mit Ultraschallsignalen aufgetragen über die Erhärtungszeit eines Betons während der Erstarrung und Erhärtung [1] |
In diesem Artikel wird auf das FreshCon-System näher eingegangen. Dieses Verfahren wurde von der Universität Stuttgart entwickelt und schließlich patentiert. Das FreshCon-System besteht im Wesentlichen aus einem Behältnis aus Plexiglas, zwei breitbandigen Piezo-Sensoren, einem Elektroimpulsgeber und einem Signalverstärker. Zur Steuerung und Auswertung der Messdaten wird ein Rechner verwendet, welcher mit einer speziellen Software ausgestattet ist (Abbildung 5).
In vom Benutzer definierten Zeitintervallen gibt nun über den Rechner gesteuert, der Impulsgeber elektrische Impulse an den Sensor weiter, welcher aufgrund Piezo-elektrischem Verhalten einen Ultraschallimpuls an den Probekörper abgibt. Dieser Impuls wird vom Medium transmittiert, vom Empfängersensor aufgenommen und als elektrisches Signal an den Verstärker weitergegeben. Dieser verstärkt das elektrische Signal und gibt es an den Rechner weiter. Mit Hilfe einer Software kann nun die Zeit ermittelt werden, welches jedes Signal benötigt, um das Medium zu transmittieren. Da die Sensoren am Behälter fest montiert sind, wird das Signal ebenfalls vom Behältnis aufgenommen und kann das detektierte Signal am Empfängersensor verfälschen. Deshalb wird versucht durch die Bauteilgeometrie und stark dämpfende Materialien wie Schaumstoff eine möglichst konzentrierte Einleitung des Signals in das Medium zu gewährleisten. Im Beispiel des FreshCon-Systems besteht das Behältnis aus zwei länglichen Plexiglasscheiben. Diese werden duch vier Schrauben zusammen verbunden. In Bauteilmitte wird nun zwischen die zwei Scheiben ein Schaumstoffprofil eingespannt, in welches später der Zementmörtel eingegossen werden kann. Die Glasscheiben sind deshalb länglich gewählt, da somit ein möglichst langer Signalweg über die Verspannschrauben zum Empfänger gewährleistet ist (Abbildung 6).
Abbildung 5: Beispiel für das Objektmodell - FreshCon 4.0 Laptop, Gefäß, Verstärker und Steuerungs- und Datenverarbeitungseinheit | Abbildung 6: Behältnis des FreshCon-Systems zur Ultraschallmessungen in Durchschallung an Frischbeton |
Erkenntnisse über den Erstarrungs- und Erhärtungsverlauf von Beton oder Mörtel lassen sich mit der Ultraschallmessung in Durchschallung zersörungsfrei und kontinuierlich bestimmen. Zur praktischen Anwendung auf der Baustelle hat dieses Verfahren im Vergleich zu den derzeit angewendeten Methoden, wie der dem Vicat-Nadelversuch, Ausbreitversuch oder dem Penetrationsverfahren wegen der relativ komplizierten Anwendung noch das Nachsehen. Eine Weiterentwicklung zu einem baustellengerechteren Ultraschallprüfgerät ist aufgrund der sehr viel genaueren Erkenntnisse über den Erstarrungs- und Erhärtungsverlauf von Beton lohnenswert. Über Erkenntnisse zum Erstarrungs- und Erhärtungsverlauf hinaus ist es möglich durch die kombinierte P- und S-Wellenmessung elastische Materialparameter direkt zu bestimmen. [1] Im Bereich der Baustoffentwicklung und -optimierung oder der Qualitätskontrolle lässt sich das Ultraschallverfahren effizient einsetzen.