Interview  mit Prof. Dr. Roland Augustinus Fischer, geb. am 27.08.1961 in Rosenheim, verheiratet, vier Kinder. Von 1981-1986 absolvierte Herr Fischer das Studium der Chemie (Dipl.-Chem.) an der Technischen Universität München (TUM). Im Jahr 1989 erfolgte dann die Promotion zu Dr. rer. nat. unter Mentor Prof. W. A. Herrmann an der TUM mit dem Thema "Contributions to the Coordination Chemistry of Alkynes at Rhenium: Synthesis, Structures and Reactivity." Darauffolgend arbeitete Herr Dr. Fischer bis 1990 als Post-Doc mit Prof H. D. Kaesz an der University of California in Los Angeles mit dem Thema"MOCVD of Pt- and Cu thin films.". Die anschließende Habilitation zu Dr.rer. nat. habil. an der TUM erfolgte 1995 mit dem Thema "Transition Metal substituted Alanes, Gallanes and Indanes: Synthesis, Reactivity, Structures: molecular sources for Chemical Vapour Deposition of binary intermetallic phases.". Von 1996-1997 hatte Prof. Fischer eine Professur am anorganisch chemischen Lehrstuhl der Universität Heidelberg inne bevor er 1997 eine ordentliche Professur mit dem Lehrstuhl für anorganische und Materialchemie an der Ruhr Universität in Bochum (RUB) antrat welche er bis 2015 ausübte. Seit 2016 ist Prof. Fischer nun ordentlicher Prof. an dem Lehrstuhl für anorganische und metallorganische Chemie an der TUM.

(von Lukas Rast)



Herr Prof. Fischer, warum wollten Sie Chemie studieren?

Also erstens bin ich massiv von meinem Vater geprägt worden, welcher Lehrer für Chemie und Biologie war – somit war eine Bildung jenseits der Naturwissenschaft schon einmal ausgeschlossen –  und zweitens war ich mit meinem Bruder Richard schon ab 11 Jahren in der Art von chemischem Experimentieren begeistert, dass wir mit einem Chemiebaukasten in einem eigenen kleinen Labor im Gartenhäuschen alle möglichen – heute wegen Gefahrstoffverordnung undenkbaren – Versuche durchführten.

Welche gefährlichen Experimente haben Sie denn durchgeführt?

Wir hatten ja alles. Mit weißem Phosphor und flüssigem Schwefeldioxid hantiert, Mischungen von Schießpulver angezündet – wenn wir ein Kilo Kaliumnitrat wollten, war das im Handumdrehen beschafft –, Kaliumperchlorat mit brennbaren Materialien gemischt, aromatische Ester synthetisiert usw. Wir haben ca. 10 – 15 Jahre auf diese Art herum probiert und Riesenspaß gehabt.

Wie sind Sie von der Chemie, „Wo es stinkt und kracht“ auf seriöse Forschung gekommen?

Mit der Diplom- und Doktorarbeit hat dann meine seriöse Forschung so richtig begonnen. Ich habe bei Herr Prof. Herrmann C-C-Bindungsknüpfung an Rheniumzentren erforscht. Sehen Sie, der Unterschied zwischen neugierigem Herumprobieren und Forschen besteht darin, dass bei der Forschung eine zielgerichtete, theoriegeleitete Thematik verfolgt wird. Das Anwenden der im Studium über viele Jahre erlernten Methoden war dabei sehr hilfreich, ja entscheidend.

Wie erging es Ihnen dann bei der folgenden Habilitation?

Das ist eine gute Frage, denn wenn ich bis dato eine Arbeit angefertigt hatte, hatte ich immer einen Betreuer, welcher ein Forschungsthema vorgab und beratend leitete. Die Schwierigkeit bei meiner Habilitation bestand für mich darin, ein erfolgsversprechendes Thema zu finden. Das ist wie beim Bergsteigen, eine Erstbegehung ist immer schwieriger als das Wandern über bekannte Routen. Ich suchte also ein Forschungsgebiet, welches der breiten Fachwelt weniger bekannt ist – also weniger Konkurrenz zunächst – aber gleichzeitig das Potential barg, erfolgreich bearbeitbar zu sein und für die Fachwelt bedeutend zu werden. Bei diesem Schritt völlig auf sich gestellt zu sein, war äußerst anstrengend, frustrierend und irritierend zugleich. Während dieser ein bis zweijährigen Phase des Suchens war beharrliches Weitermachen die Devise, bis ich auf einen grünen Zweig kam. Und selbst danach war meine Zukunft alles andere als gewiss. Ich musste meine Forschung laufend gut begründen und Teilerfolge nachweisen, um die Projektfinanzierung aber auch die Lebensgrundlage für mich und meine Familie zu sichern. Auch nach der Habilitation habe ich beharrlich für eine Anstellung kämpfen müssen. Bis nach Schottland habe ich mich beworben. Umso stolzer war ich dann, als ich mit jungen 35 Jahren eine Professur an der Universität Heidelberg erhalten habe.

Wie erlebten Sie damals die Zeit mit Familie und Beruf?

Dieses Abendeuer habe ich bewusst angetreten, als ich mit 23 Jahren meine Jugendliebe heiratete und mit ihr eine Familie gründete. Es war nicht immer einfach, aber auch im privaten Leben wie in der Arbeitswelt gilt: Mit Zuversicht und Beharrlichkeit erreicht man seine Ziele und meistert seine Aufgaben.

Ein Großteil Ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sich mit metal organic frameworks (MOFs). Wie sind Sie auf dieses Forschungsgebiet aufmerksam geworden?

Im Jahr 2004 hatte ich eine Kooperation mit der Firma Südchemie – die heutige Clariant–, mit meinem Team, welche die Erforschung des Mechanismus der Methanolsynthese aus Synthesegas auf Kuper/Zinkoxid-basierten Katalysatoren zum Ziel hatte. Ich wurde damals von einem Experten der Südchemie bei einem Meeting auf Kupfer- und Zink-basierte MOFs –also porösen Zeolith-ähnlichen Netzwerkverbindungen –aufmerksam gemacht. Daraufhin erkannte ich, dass ich ein junges, faszinierendes Forschungsfeld völlig übersehen hatte. Ich bin ein gelernter Metallorganiker – kenne mich also mit Kohlenstoffmetallchemie aus–, was aber die Koordinationschemie und die Festkörperchemie betrifft, welche in MOFs zusammengeführt sind, war ich noch ein absoluter Analphabet. Das habe ich alles erst im Anschluss gelernt.

Nach dem besagten Meeting also, ist mein damaliger Doktorand Stephan Hermes ins Labor gestürzt und hat mir Tage drauf stolz das nachgekochte MOF gezeigt. Mit einer immensen Faszination und Ausdauer haben wir uns dann in dieses Gebiet gestürzt, worauf 2005 und 2007 drei, bedeutende Publikationen folgten, welche uns internationale Anerkennung bescherten.

Vermissen Sie manchmal die praktische Arbeit im Labor?

Was ich vermisse ist die Authentizität der eigenen unmittelbaren Arbeit an einem Forschungsthema – diese Zufriedenheit, wenn Sie die Resultate der praktischen Arbeit mit der Theorie kombinieren. Es ist eben nicht dasselbe, ob Sie selbst auf einen Berg steigen, oder ob Sie nur den Reisebericht der Bergtour schreiben, die ihr Team gemacht hat. Zum letzten Mal konnte ich dieses Gefühl im März 1996 erleben. Wenn ich jetzt noch im Labor arbeiten müsste, würde ich nur viel falschmachen. Ich freue mich aber sehr, wenn meine Mitarbeiter mit Leidenschaft und Faszination der Forschungsarbeit im Labor nachkommen.

Was unternehmen Sie am liebsten, um sich von Ihrem Alltag zu erholen?

Ich mache gerne Abenteuerurlaub mit meiner Frau. So waren wir zuletzt drei Wochen über Weihnachten in Neuseeland im Camper unterwegs und wandern. Das reicht uns dann auch wieder für ein Jahr bis zum nächsten großen Urlaub. Kurzfristig gesehen wandere ich auch gerne mal an einem freien Wochenende in den Inntaler Alpen, dem Karwendel oder auch mal den Dolomiten oder genieße wie viele in Bayern einen sonnigen Nachmittag im Biergarten.

Wofür wurde Ihnen 2017 der Dr.phil.h.c. an der RUB verliehen?

Den Dr. phil. h.c. habe ich von der Fakultät der Philosophie und Erziehungswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum für dreierlei Leistungen bekommen. Erstens habe ich an der RUB den Wechsel zu Bachelor und Master-Studiengängen prägend begleitet. Zweitens habe ich an der RUB ein Schülerlabor ins Leben gerufen, bei dem Projekte für Schüler von Studenten betreut werden. Dort können Schüler die wissenschaftliche Arbeit aller Disziplinen an der Universität kennen lernenwährend Lehramtskandidaten das Lehren lernen.

Und drittens habe ich, die Ruhr University Research School, gegründet, eine von der Exzellenzinitiative unterstützte Dachstruktur , der alle 3500 promovierenden Mitglieder der verschiedenen Fächer an der RUB zugeordnet sind.  Diese beschäftigt sich mit Fragen wie: Was ist die Gemeinsamkeit aller Promotionskulturen? In welcher Weise wird Wissen erworben und überprüft? Wie überzeugend sind dabei die angewandten Methodiken und Argumentationen? Dabei liegt die Gestaltungsmacht auch über die Finanzen bei den Doktoranden und nicht bei den Professoren.

Das ist im Grunde genommen die gleiche Idee, die hinter dem ITSC-IC-Seminar steckt. Hierbei geht es eben auch um verantwortliche Qualitätssicherung der eigenen Praktikumsleistung durch die wissenschaftliche Gemeinschaft – in dem Fall Peer-Reviews– und die Organisation einer wissenschaftlichen Präsentation und Diskussion – durch das Poster Symposium – in einer authentischen Lernumgebung, etwa so, wie Sie sie in Ihrer späteren Karriere ebenfalls antreffen werden.

Was entgegnen Sie Kritikern, die meinen, dass Sie dabei Ihre Aufgaben der Vermittlung von Wissen und der Methodik zum Wissenserwerb auf andere abwälzen?

Denen möchte ich gerne ein paar Gegenfragen stellen. Ist es Wissensvermittlung, dass ich Wissenssätze diktiere? Das mache ich vielleicht noch in den ersten Semestern während des Bachelorstudiengangs. Aber ab wann glauben Sie, dass jemand plötzlich die Fähigkeit entwickelt, Erkenntnisse eigenverantwortlich zu erlangen, zu begründen und der Fachwelt zu kommunizieren? Wie so ein echter, wissenschaftlicher Lernprozess erfolgreich zu organisieren und anzuleiten wäre, das ist eine große Herausforderung. Wann und wodurch ist der Zeitpunkt gekommen, dass sich beide, Lehrender und Lernender, nicht einseitig in der Art treffen, dass der Studierende Anweisungen befolgt und mit Problemen ankommt und der Betreuende dann die Lösungen gibt weitere Instruktionen gibt, sondern beide sich auf gleicher Augenhöhe begegnen?  Ich möchte dies im Rahmen des ITSC-IC-Seminars durch eine eigenverantwortliche Teamorganisation der wissenschaftlichen Tagung und der Qualitätssicherung mit dem Nebenziel der Nachhaltigkeit durch Dokumentation für die kommenden Studierendengenerationen.

Haben Sie abschließend zu diesem Interview einen Einblick für unsere Leser, worin Sie den Sinn des Lebens sehen?

Ich sehe ihn darin, unter allen Umständen den eigenen Träumen, Wünschen und Zielen in großer Beharrlichkeit treu zu bleiben. Ich empfehle diese Sichtweise auch allen Studierenden. Abgesehen davon ist „42“ die Antwort.

Herr Prof. Fischer ich danke Ihnen im Namen unserer Leser für dieses offene Gespräch.


Online presence:

Chair of Inorganic and Metal-Organic Chemistry

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