Mi. 21.04.2021 18:15 Uhr Die Virus-Wirt-Interaktion oder wie man die Achilles-Ferse des Virus für neue antivirale Therapien nutzen kannProf. Dr. med. Ulrike ProtzerDirektorin des Instituts für Virologie Prof. Dr. med. vet. Andreas PichlmairInstitut für Virologie | Apr 21, 2021, 06:15 p.m. Virus-host interaction – how we can exploit the virus’ Achilles heel for novel antiviral therapiesProfessor Ulrike ProtzerDirector of the Institute of Virology Professor Andreas PichlmairInstitute of Virology |
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Moderation: Univ.-Prof. Dr. med. Marion Kiechle
Antiviral wirksame Medikamente sind in der Entwicklungs-Pipeline
Wie man die Achillesferse des Virus für neue antivirale Therapien trifft? Das weiß Professor Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie der Technischen Universität München. Zusammen mit ihrem Kollegen Professor Andreas Pichlmair hält sie die Covid-Lecture zur Virus-Wirt-Interaktion. Drei Fragen an die Virologin.
Welche antiviralen Therapien gegen Covid-19 gibt es derzeit – und wie wirksam sind sie?
Es gibt bisher leider nur sehr wenige Therapien gegen Covid-19. Dabei muss man zwei grundsätzlich unterschiedliche Therapie-Ansätze unterscheiden: Zum einen Therapien, die die Entzündungsreaktionen im Körper unterdrücken; sie zielen darauf ab, die sogenannte Immunpathogenese zu vermindern, wie Cortison oder Antikörper gegen das Zytokin IL-6 – hier wurde in klinischen Studien eine gewisse Wirksamkeit gezeigt. Zum anderen direkt antiviral wirksame Therapien, die das Virus an der Vermehrung und an der Ausbreitung hindern. Hier gibt es leider noch kein Medikament, das eine überzeugende Wirksamkeit zeigt. Da diese Therapien aber bei den meisten Virus-Erkrankungen den therapeutischen Durchbruch gebracht haben, ist es sehr wichtig, daran zu arbeiten.
Wie schnell geht denn die Entwicklung aus Ihrer Sicht voran?
Direkt antiviral wirksame Medikamente kann man nur entwickeln, wenn man das Virus sehr gut versteht und seine essenziellen Enzyme kennt, die man als Achillesferse des Virus „angreifen“ kann. Hierzu hat die Gruppe von Prof. Andreas Pichlmair die bisher wohl umfassendste Analyse weltweit durchgeführt. Da das etwas Zeit dauert, braucht auch die Entwicklung spezifischer, antiviraler Medikamente Zeit. Eine alternative Strategie ist es, bereits bekannte Elemente, wie den Virus-Rezeptor, als Ansatz für eine antivirale Therapie zu nutzen. Das hat meine Gruppe getan und einen direkten Virus-Inhibitor entwickelt,in Kollaboration mit Bio- und Medizinchemikern.
Was wird die Zukunft bringen – und vor allem wann?
Im Gegensatz zur Entwicklung von Impfstoffen kann man hier nicht einfach mit der reinen genetischen Information starten. Zudem war auch die Forschungsförderung zur Entwicklung von Impfstoffen deutlich höher als die zur Entwicklung antiviraler Medikamente. Eine ganze Reihe antiviral wirksamer Medikamente sind jetzt in der Entwicklungs-Pipeline und wir hoffen sehr, dass man bald über ähnliche Erfolge wie in der Entwicklung von Impfstoffen berichten kann.
Professor Ulrike Protzer
Prof. Protzer (*1962) arbeitet auf dem Gebiet der Virus-Wirt Interaktion des Hepatitis B Virus. Der Schwerpunkt ihrer Arbeiten liegt auf dem molekularen und immunologischen Verständnis der Viruskontrolle. Basierend auf diesem Verständnis entwickelt sie mit ihrer Arbeitsgruppe neue Therapieansätze für die Behandlung der chronischen Hepatitis B und deren Folgeerkrankungen.
Nach dem Studium der Humanmedizin an den Universitäten Erlangen, Basel und Durban (Südafrika) promovierte Prof. Protzer 1989 in Erlangen und erwarb 1996 nach gastroenterologischer und infektiologischer Ausbildung in Frankfurt und Mainz die Facharztbezeichnung für Innere Medizin. Nach einer Postdoktorandenzeit am Zentrum für Molekulare Medizin in Heidelberg (1996-2000) habilitierte sie sich 2000 im Fach Virologie und begann eine zweite klinische Ausbildung zum Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie (2005). Von 2002-2007 leitete sie eine Nachwuchsgruppe am Zentrum für Molekulare Medizin der Universität Köln. Ende 2007 übernahm sie den Lehrstuhl für Virologie an der TUM und ist seitdem Direktorin des Instituts für Virologie an der TUM und am Helmholtz Zentrum München.
Professor Andreas Pichlmair
Prof. Pichlmairs (*1978) Forschungsgebiet ist die Interaktion zwischen viralen Patogenen und ihren Wirtsorganismen. Viren aktivieren angeborene Immunmechanismen, welche für die erfolgreiche Abwehr von Pathogenen wichtig sind. Prof. Pichlmair verwendet vor allem Massenspektrometrie und ähnliche „large scale“ Techniken als Basis für Systemanalysen. Diese bilden die Grundlage zur Etablierung von Hypothesen, welche zur Identifikation von Signalkaskaden und Mechanismen, die in der antiviralen Immunantwort involviert sind, dienen.
Prof. Pichlmair studierte an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Seine Doktorarbeit (Dr. med. vet., 2004) führte er am Institut für Virologie der Universität Freiburg/Breisgau (Prof. Otto Haller) durch. Danach promovierte er (PhD, 2008) am London Research Institute, Cancer Research UK (Prof. Caetano Reis e Sousa). Nach einem Post-Doc am Center for Molecular Medicine der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Prof. Giulio Superti-Furga, 2008-2011) etablierte Prof. Pichlmair sein Labor am Max-Planck-Institut für Biochemie, München (Max-Planck Free Floater Program, 2011-2017). Prof. Pichlmair wurde im Juli 2017 an die TUM berufen.