Yvonne Weise, 27.02.15


Die Simulation von Gebäudeschwingungen kann auf Grundlage der FEM mithilfe der Modalanalyse durchgeführt werden. Diese hat zum Ziel, das Schwingungsverhalten der Struktur anhand eines Modalmodells zu beschreiben und zu optimieren.

Sinn der Schwingungsanalyse

Ein Gebäude wird während seiner Lebensdauer unzählige Male dynamischen Lasten ausgesetzt, z.B. wenn sich Personen darin bewegen. Dies führt dazu, dass das Gebäude in Schwingungen versetzt wird. Das System reagiert je nach Dämpfung mehr oder weniger stark, je näher die Erregerfrequenz bei einer der Eigenfrequenzen des Systems liegt, desto heftiger. Im schlimmsten Fall kann es sogar zur Resonanzkatastrophe kommen, wie es z.B. von Brücken bekannt ist.
Es ist also erstrebenswert die Strukturantwort zu kennen, um möglichen Ermüdungserscheinungen oder Schäden entgegentreten zu können. Dies ist z.B. möglich, indem die Eigenfrequenzen durch Veränderung der Konstruktion in unproblematische Frequenzbereiche verschoben oder zusätzliche Dämpfungsmaßnahmen ergriffen werden.

Grundlegende Annahme und Ziel der Modalanalyse

Eine spezielle Form der Schwingungsanalyse ist die Modalanalyse. Sie wird unter der Annahme durchgeführt, dass sich jede erzwungene dynamische Verformung einer Struktur ausreichend genau aus der gewichteten Summe ihrer Eigenmoden darstellen lässt. Jede Eigenmode kann dabei durch die Schwingungsparameter eines Einmassenschwingers repräsentiert werden.
Ziel der Modalanalyse ist ein Modalmodell, welches das Schwingungsverhalten der Struktur durch mehrere Sätze der Modalparameter Modenform, Frequenz und Dämpfung beschreibt, indem es das System in viele einzelne, gekoppelte Einmassenschwinger zerlegt [1].

Das Einfreiheitssystem (SDOF)

Der Einmassenschwinger stellt das einfachste physikalische Modell eines schwingenden Systems dar. Es besteht aus einer Punktmasse m, einer masselosen linearen Feder mit der Steifigkeit k und einem linearen geschwindigkeitsproportionalen Dämpfer mit der Dämpfungskonstante c. Die Masse ist dabei so geführt, dass sie sich nur in Richtung \xi bewegen kann, also nur einen Freiheitsgrad besitzt. Das System wird daher auch als Single Degree of Freedom (SDOF-) System bezeichnet [1].

Abbildung 1: SDOF-System (nach [2])


Das Schwingungsverhalten des SDOF-Systems lässt sich durch folgende Differentialgleichung beschreiben [2]:

m \ddot{\xi} + c \dot{\xi} + k \xi = F \qquad Gl. (1)

MDOF Systeme

In der Realität besitzen Strukturen nicht nur einen Freiheitsgrad, die Beschreibung mithilfe des Einmassenschwingers ist somit nicht mehr sinnvoll. Zur Beschreibung dieser Strukturen ist es vielmehr notwendig, das SDOF-System zum Multi Degree of Freedom (MDOF-) System zu erweitern. Es handelt sich also um ein komplexeres System aus mehreren gekoppelten Einmassenschwingern, wobei jeder einzelne mit einer Differentialgleichung in der Form von Gl. (1) beschrieben werden kann.
Mathematisch wird die Struktur mithilfe von gekoppelten Differentialgleichungen beschrieben und kann übersichtlich in Matrizen-Vektor-Schreibweise dargestellt werden.

M \ddot{\vec \xi} + C \dot{\vec \xi} + K \vec \xi = \vec F \qquad Gl. (2)

Die Auslenkung der Massen wird durch den Verschiebungsvektor \xi, die anregenden Kräfte durch den Vektor F und das Systemverhalten durch die Massenmatrix M, die Dämpfungsmatrix C und die Steifigkeitsmatrix K beschrieben [2].

FEM

Bereits bei einem einzelnen Bauteil eines Gebäudes, z.B. bei einem Balken, lässt sich das Strukturverhalten, wie beispielsweise seine Biegeform, nicht exakt genug durch einen Einmassenschwinger beschreiben.
Um das Verhalten solcher (oder deutlich komplexerer) Strukturen dennoch verhältnismäßig einfach bestimmen zu können, wird mit der Finiten-Elemente-Methode (FEM) folgender Ansatz verfolgt:
Die Struktur, in diesem Beispiel der Balken, wird in viele kleine, finite Elemente unterteilt, deren Verhalten ausreichend exakt über einen Einmassenschwinger beschrieben werden kann. Um zu berücksichtigen, dass sich diese Subsysteme gegenseitig beeinflussen, werden sie als gekoppelt betrachtet.
Das grundsätzliche Vorgehen der FEM kann in folgende Schritte eingeteilt werden [3] [4] [5]:

  • Diskretisierung, also die Einteilung der Struktur in finite Elemente und ihre zugehörigen Knotenpunkte
  • Wahl von Ansatzfunktionen für diese Elemente, mit den Element-Knotenverschiebungen als zu bestimmende Ansatzparameter
  • Berechnung der Elementmatrizen mit lokalen, diskreten Verschiebungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen
  • "Aufsummieren" der Elementmatrizen zu den Gesamtmatrizen
  • Ergebnis: Gesamtproblem als gekoppeltes Differenzialgleichungssystem (siehe Gl. (2))

Nach der Lösung des DGL-Systems besteht der letzte Schritt der FEM immer aus der Rückrechnung, um die Diskretisierung wieder aufzuheben.

Die Modalanalyse

Bei der Modalanalyse handelt es sich um ein spezielles Verfahren für Schwingungsprobleme, das auf Grundlage der FEM durchgeführt wird.
Wie eingangs bereits erwähnt, wird die Modalanalyse unter der Annahme durchgeführt, dass sich das Schwingungsverhalten von Strukturen ausreichend genau durch ihre Eigenmoden abbilden lässt. Jede Eigenmode kann durch die Parameter Modalfrequenz, Modaldämpfung und Modenform mathematisch eindeutig beschrieben werden.
Die zweite Annahme der Modalanalyse ist, dass die Eigenmoden aufgrund ihrer Orthogonalität vereinfacht als voneinander unabhängig betrachtet werden dürfen. Dadurch lassen sich die ursprünglich voll besetzten Matrizen in Diagonalmatrizen verwandeln, und das Differentialgleichungssystem (Gl. (2)) zerfällt in ungekoppelte Differentialgleichungen mit der Form eines Einmassenschwingers. Aus diesem Grund ist es überhaupt möglich, das Schwingungsverhalten von komplexeren Strukturen mit mehreren Freiheitsgraden noch zu berechnen.
Aus dem entstandenen, nun leicht lösbaren Differentialgleichungssystem können mithilfe eines speziellen Lösungsverfahrens die Eigenwerte und Eigenvektoren des Systems ermittelt werden (siehe dazu [6]). Daraus lassen sich in einem weiteren Schritt die Übertragungsfunktion des Systems und damit das dynamische Verhalten der Struktur berechnen [2] [3] [4].

In der Realität beeinflussen sich die Eigenmoden jedoch gegenseitig. Die Kopplung der Moden ist abhängig von ihrer Lage zueinander und steigt mit zunehmender Frequenz, da auch die Eigenmodendichte ansteigt. Die Modalanalyse ist deshalb nur im tieffrequenten Bereich bei einer schwachen modalen Kopplung sinnvoll durchzuführen. Mit zunehmender Frequenz steigen Ungenauigkeit und Unwirtschaftlichkeit der Methode [2]. Die Genauigkeit der Ergebnisse ist weiterhin abhängig von der Wahl des Modells, der Güte der Eingangsdaten (Materialparameter) und der richtigen Modellierung der Verbindungsstellen und Kontaktflächen [3].

Es liegen jedoch nicht immer Informationen zu den korrekten Eingangsdaten (Masse, Steifigkeit und Dämpfung, vgl. Gl. (1)) der Struktur vor. Auch wenn die Masse und mitunter die Steifigkeit noch leicht zu ermitteln sind, trifft dies bei der Dämpfung meist nicht mehr zu. Es wird daher zu dem zuvor beschriebenen numerischen Verfahren zusätzlich der experimentelle Weg genutzt. Dieser durchläuft die beschriebenen Schritte gerade in der umgekehrten Reihenfolge:
Ausgehend von Messungen des Übertragungsverhaltens an der realen Struktur werden die Modalparameter ermittelt. Auch hier ist das Ziel ein Modalmodell, welches das Schwingungsverhalten der Struktur nachbilden soll. Es besteht für gewöhnlich aus einer Reihe unabhängiger Differentialgleichungen, wobei jede einzelne eine Mode beschreibt [1].

Eine Übersicht über die beiden Herangehensweisen zeigt Abbildung 2:

Abbildung 2: Ablauf der numerischen und experimentellen Modalanalyse (nach [1])


Ist das Strukturverhalten erst einmal bekannt, kann das Schwingungsverhalten für jede beliebige dynamische Belastung simuliert und die Strukturantwort vorhergesagt werden. Außerdem können die Auswirkungen von Veränderungen der dynamischen Eigenschaften untersucht und somit Optimierungsprozesse der Struktur durchgeführt werden. So kann möglichen Ermüdungserscheinungen oder Schäden bereits in der Planungsphase entgegengewirkt werden [1].

Literatur

  1. Eberle, K. und Wagner, J.: Vorlesungsunterlagen zur Versuchstechnik, Kapitel 7: Schwingungsanalyse und Schwinungsprüfung. Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen, Stuttgart (2010), pp. 7.1-7.9.
  2. Möser, M.: Messtechnik der Akustik, Kapitel 8: Modalanalyse. Springer Verlag, Berlin (2010), pp. 499-535.
  3. Rabold, A.: Vorbereitende Arbeiten zur Berechnung der Trittschalldämmung von Holzbalkendecken anhand der Finiten Elemente Methode. Diplomarbeit am Lehrstuhl für Bauinformatik, Technische Universität München (2004), pp. 6-11.
  4. Baier, H.: Skriptum zur Vorlesung Leichtbau. Lehrstuhl für Leichtbau, Technische Universität München (2009), pp. 117 ff.
  5. Wall, W.A. und Nissen, K.: Skriptum zur Vorlesung Finite Elemente. Lehrstuhl für Numerische Mechanik, Technische Universität München (2010).
  6. Stelzmann, U., Groth, C. und Müller, G.: FEM für Praktiker - Band 2: Strukturdynamik, Teil II.5. expert Verlag, Renningen (2008), pp. 101 ff.