Elena Löhr, Sommersemester 2013


Die akustische Resonanzanalyse (Acoustic Resonance Testing, ART) [1] gehört mit der Sichtprüfung zu den ältesten zerstörungsfreien Prüfmethoden. [2] Mit der akustischen Resonanzanalyse können Inhomogenitäten und Fehlstellen in einem Prüfkörper erkannt werden. Es handelt sich um ein vergleichendes und volumenorientiertes Verfahren und dient daher vor allem für eine qualitative Prüfung des zu prüfenden Gegenstandes. [2] [3] Das Verfahren kann sowohl im hörbaren als auch im nicht hörbaren Frequenzbereich verwendet werden. Im hörbaren Bereich (< 16 kHz) wird das Verfahren Klangprüfung oder auch Klanganalyse genannt und im nicht hörbaren Bereich (> 16 kHz) wird es Ultraschallresonanzprüfung genannt. [2] [3] [1] Zurzeit wird dieses Prüfverfahren für die Qualitätskontrolle unterschiedlichster Materialien wie z.B. Stahl oder Keramik verwendet, sowie in der Fahrzeugindustrie und im Bauwesen zum Überprüfen von Defekten, Hohlstellen usw. [1]

Physikalischen Grundlagen

Dem Verfahren dient die physikalische Teildisziplin der Akustik als Grundlage. Der Schall ist eine mechanische Schwingung im Hörbereich von ca. 16 Hz – 16 kHz, die sich als Welle in einem elastischen Medium fortpflanzt. [2] Er breitet sich durch eine räumliche Dichte- oder Druckänderung weiter aus. [3] Erfolgt die Druckschwingung in der Luft oder in einem anderen Gas wird dieser Luftschall genannt. Breitet sich der Schall in einem Körper als Dichteunterschied aus wird dieser Körperschall genannt. [2] [3] Der Schall entsteht durch die mechanische Anregung eines Körpers und durchläuft diesen als Körperschall. Tritt die Schwingung aus dem Körper aus, regt diese die umgebende Luft an und wird als Luftschall fortgepflanzt. [2] [4] In Festkörpern breitet sich die Schallenergie durch zwei Grundwellenarten aus: die Longitudinalwelle und die Transversalwelle. In Gasen und Flüssigkeiten tritt nur die Longitudinalwelle auf, die auch eine schnellere Ausbreitungsgeschwindigkeit besitzt. [2] [3] [4] Die beiden Grundwellenarten sind in den nachfolgenden Abbildungen dargestellt.

Abb. 1a: Die Longitudinalwelle breitet sich in allen Medien parallel zur Ausbreitungsrichtung aus. Es kommt zu Zonen mit lokal hoher und niedriger Dichte. [2]

Von Christophe Dang Ngoc Chan (cdang) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1386746

Abb. 1b: Die Transversalwelle: breitet sich nur in Festkörpern senkrecht zur Ausbreitungsrichtung aus und es kommt zu keiner Volumenänderung.[2]

Von Christophe Dang Ngoc Chan (cdang) - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1386792



In der Praxis existieren in begrenzten Festkörpern die Kombinationen der beiden Grundwellenarten als Dehnwelle, Biegewelle, Torsionswelle und Oberflächenwelle. [2] Die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit ist eine Materialkonstante und hängt von der elastischen Eigenschaft (E-Modul) und der Dichte eines Materials ab. [2]

E = \frac{\delta}{\epsilon}

Elastizitätsmodul E (\frac{N}{mm^2})

\rho = \frac{m}{V}

Dichte \rho (g/cm^3)

Diese beiden Größen sind temperaturabhängig, somit ist auch die Schallgeschwindigkeit eine temperaturabhängige und charakteristische Größe. [2] [3]

c_{(T)} = \sqrt{\frac{E_{(T)}}{\rho_{(T)}}}

Schallgeschwindigkeit c (m/s)

Der Schall ist neben der Temperatur in Luft noch vom Druck, der Feuchtigkeit und dem CO_2–Gehalt abhängig. In Festkörpern ist die Schallgeschwindigkeit vom E-Modul und der Dichte abhängig. Entscheidend ist jedoch die Temperatur. Je höher die Temperatur, desto höher ist auch die Schallgeschwindigkeit. [3]

Prinzip

Das Prinzip der akustischen Resonanzanalyse nutzt den physikalischen Effekt, dass nach einer Anregung ein Festkörper in seiner natürlichen Eigen- oder Resonanzfrequenz schwingt. Diese typischen Resonanzen sind wie ein Fingerabdruck eines Werkstückes und können daher mit einem Sensor aufgezeichnet und digital analysiert werden. Durch die Resonanzanalyse können werkstückspezifische akustische Kennwerte berechnet und durch Vergleichen mit „Gutwerten“ von Prüfobjekten in eine Güteklasse eingeordnet werden. Die Resonanzfrequenz eines Festkörpers hängt u.a. vom Material, der Körpergeometrie und seiner inneren Struktur ab. [2] [3] Deshalb ist es notwendig die Messbedingungen immer konstant zu halten, damit die Messungen verglichen werden können. Zu den Bedingungen gehören die Anregung, die Lagerung des Prüfkörpers, die Sensorik und die digitale Verarbeitung. [2] Die Messung von Schall zeigt die nächste Abbildung (nach [3]).


Der Sender kann entweder impulsiv oder kontinuierlich das Medium anregen. In einem Festkörper entsteht nach der Anregung der Körperschall, der mit einem Sensor gemessen wird. In Flüssigkeiten wird der Fluidschall mit einem Hydrophon und in Gasen wird der Luftschall mit einem Mikrophon gemessen. [3] Bei der akustischen Resonanzanalyse wird der Sender impulsiv angeschlagen und der dadurch entstehende Körperschall wird mit Hilfe von Sensoren gemessen. Der entstehende Luftschall wird allerdings mit einem Mikrophon gemessen. [3] Das analoge Zeitsignal (Zeit-Spannungs-Diagramm) das bei der Messung entsteht, wird durch die Fast-Fourier-Transformation (FFT) in ein digitales Frequenzspektrum (Frequenz-Pegel-Diagramm) umgewandelt. [3]

Es gibt für die Prüfung zwei Arten des Aufbaus. Der allgemeine Aufbau für die Klangprüfung hat einen kleinen Impulsgeber, der an das Werkstück anschlägt und eine Schwingung im Prüfkörper hervorruft. Ein Mikrophon misst dann den austretenden Luftschall. Diesen Aufbau zeigt die Abbildung 3.

Abb. 3 Versuchsaufbau mit elektrischem Impulsgeber (Hammer) [5]


Die Abbildung 4 zeigt den Versuchsaufbau mit einem Hammer, der manuell gegen das Werkstück geschlagen wird.

Abb. 4 Versuchsaufbau mit einem manuellen Impulsgeber (Hammer) [5]


Für den alternativen Versuchsaufbau wird anstelle des Mikrophons ein Sensor an die gegenüberliegende Seite des Prüfkörpers angelegt. Der Sensor misst den Körperschall des Objektes. [3]

Die Vorgehensweise der Messung ist:

  1. Das Werkstück muss schwingfähig gelagert sein.
  2. Anregung des Objektes.
  3. Schallmessung als analoges Zeitsignal.
  4. Umwandlung in ein Frequenzspektrum mit Hilfe der FFT.
  5. Prüfobjektspezifische Kennwerte ermitteln.
  6. Kennwerte vergleichen und bewerten, um das Werkstück klassifizieren zu können. [2] [3]

Anwendung in der Praxis

Die akustische Resonanzprüfung findet vor allem in den Gebieten der Rissprüfung, der Gefügeprüfung, der Eigenfrequenzmessung und für die Überprüfung der Verbindungsgüte Anwendung. Das Verfahren wird unter Anderem in den Industriebereichen von Gießereien, Schmieden, im Stahlbereich, der Keramikherstellung und der Glasindustrie genutzt. Das Verfahren eignet sich auch sehr gut für die Kombination von Volumen- und Oberflächenprüfung. Damit kann die Gefügestruktur durch die Volumenprüfung der Resonanzanalyse und durch die Wirbelstromprüfung an der Oberfläche eines Werkstückes erkannt werden. [2] [1] Im Bauwesen spielt die akustische Resonanzanalyse vor allem im Bereich der Zuschlagskörner und dem Verhalten von Bausteinen eine Rolle. [3]

Voraussetzungen und Einschränkungen

Die Voraussetzungen für die Anwendung der akustischen Resonanzanalyse sind:

  1. Der Prüfkörper muss zerstörungsfrei anregbar sein und frei schwingend gelagert sein.
  2. Nach der Anregung darf keine zu große Dämpfung im Prüfobjekt vorhanden sein, um eine ausreichende Schwingungsdauer (min. 100 ms) zu erhalten.
  3. Die Störungen oder Defekte müssen akustisch relevant sein, d.h. es müssen mess- und interpretierbare Veränderungen feststellbar sein.
  4. Die Messbedingungen müssen konstant und geeignet sein.
  5. Klassierbarkeit der zu bewertenden Eigenschaften. [2] [3]

Es gibt sowohl physikalische wie auch methodische Einschränkungen. Zu den physikalischen zählen: die Defektgröße, die nur anhand von Referenzstücken eingeordnet werden können. Ein Faktor ist die Defektanregung, die einen entscheidenden Einfluss auf das Detektieren von Fehlstellen oder Rissen hat. Daher ist es wichtig, dass der Prüfkörper an verschiedenen Stellen bzw. in unterschiedlichen Richtungen angeregt wird. Am besten sind Risse zu detektieren, wenn sich die Rissfläche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung befindet. Die geometrische Struktur eines Körpers besitzt auch einen hohen Einfluss. Ist der Körper zu klein, werden kaum Resonanzfrequenzen erzeugt. Wenn der Körper zu komplex ist, kommt es zu vielen Resonanzfrequenzen, die sich schlecht analysieren und interpretieren lassen. Als methodische Einschränkung können die Umgebungsgeräusche einen großen Einfluss auf die Schallaufnahme über ein Mikrophon haben. Ist der Nutz-/Störsignalabstand zu klein, können die Frequenzen nicht mehr vom Rauschen unterschieden werden. Um deutlich die Resonanzfrequenzen zu erkennen, muss der Nutz-/Störsignalabstand groß genug sein. [2] [3]

Die Einflussfaktoren können in vier große Bereiche eingeteilt werden:

  1. Prüftechnik
    1. Die verwendete Sensorik und Prüfgeräte (siehe Tab. 1)
    2. Anregung (Art, Ort, Intensität; Richtung)
    3. Lagerung und Ausrichtung des Prüfobjektes
    4. Die Messanordnung
  2. Prüfumgebung
    1. Die Umgebungsbedingungen (z.B. Temperatur, Hintergrundrauschen)
  3. Produktzustand
    1. Zustand des Produktes
    2. Temperatur
    3. Gewicht
    4. Geometrie
  4. Prozess-/Produktsteuerung
    1. Schwankungen in der Fertigung [2] [3]

Damit die Ergebnisse vergleichbar sind, müssen die Einflussfaktoren berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden. Den unterschiedlichen Einfluss der Sensortypen auf die Messung werden in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1: Einfluss der unterschiedlichen Sensortypen auf die Messung (nach [2])

SensortypVorteileEinschränkungen
Mikrophonberührungslos, Information über gesamtes Werkstück, günstigFrequenzbereich bis 25 kHz, Störgeräusche aus Umgebung
Beschleunigungssensorunabhängig von Umgebungsgeräusche, günstigberührt das Werkstück, Frequenzbereich bis 10 kHz
Laservibrometerberührungslos, Frequenzbereich bis 50 kHz, unabhängig von Umgebungsgeräuschenur Punktmessung

Vor- und Nachteile der akustischen Resonanzanalyse

Wie jedes Analyseverfahren hat auch die akustische Resonanzanalyse Vor- und Nachteile. Diese sind in Tabelle 2. aufgeführt.

Tab. 2: Vor- und Nachteile des Verfahrens (nach [3])

VorteileNachteile
Prüfung des gesamten Werkstückessiehe Voraussetzungen
hohe Reproduzierbarkeit und Objektivitätvergleichendes Verfahren
hohe Genauigkeit und AuflösungSchadensart nicht direkt erkennbar
geringer Aufwand für automatische Prüfung
einfach und zerstörungsfrei
schnell und günstig

Besonderheiten des Verfahrens

  1. Jedes angeregte Werkstück schwingt in seiner Eigenfrequenz (Schall- und Ultraschallbereich)
  2. Gesamtes Prüfobjekt schwingt, somit Defekterkennung in der Volumenveränderung
  3. Erfassung mehrerer Eigenschaften des Prüfkörpers
  4. Die Einflussfaktoren können kompensiert werden, somit eine objektive Beurteilung
  5. Ein vergleichendes Verfahren [3]

Forschung der Technischen Universität München im Bereich des Bauwesen

Die Technische Universität München forscht am Frostverhalten von Bausteinen und an der Gesteinskörnung. Die Bausteine werden durch Frostversuche über ihr Frost- bzw. Frost-Tausalz-Verhalten überprüft. Das Frostverhalten der einzelnen Bausteine wird allein durch die Abwitterung (Massenverlust) und durch die makroskopisch sichtbare Veränderung (Rissweiten) bestimmt. Unberücksichtigt bleiben dabei die Veränderungen der inneren Gefügestruktur, die nachweislich großen Einfluss auf das Frost-Tau-Verhalten eines Bausteins haben. Der Forschungsansatz der TU München besteht dahin, die Veränderung des inneren Gefüges der Bausteine durch die akustische Resonanzanalyse zu analysieren.

Die zweite Forschungsrichtung der TU München befasst sich mit der Gesteinskörnung. Die Zielsetzung ist die Entwicklung eines einfachen Verfahrens zur Qualitätssicherung und Qualitätssteuerung von Gesteinskörnung. Die TU München entwickelte die Idee eines Mürbkornversuches. In diesem Versuch werden 200 Körner einzeln zerschlagen und nach ihrem Bruchverhalten und ihrem Klang beurteilt, um den Anteil an mürben Körnern beurteilen zu können. Damit eine objektive Beurteilung stattfinden kann, wird die akustische Resonanzanalyse als Verfahren herangezogen. [3]

Literatur

  1. Akustische Materialprüftechnik. rte.de. Aufgerufen am 22. Juni 2013.
  2. Hertlin, I.: Akustische Resonanzanalyse. Informationsschriften zur zerstörungsfreien Prüfung, Band 5. Castell-Verlag. Wuppertal, 2003. ISBN: 3-934 255-06-X
  3. Neidinger, S.: Vorlesung zur akustischen Resonanzanalyse. TU München. München, 2012.
  4. Firma RTE Akustik + Prüftechnik GmbH: verschiedene Präsentationen. 2006 und 2011.
  5. Fotos aufgenommen am Centrum für Baustoffe und Materialprüfung der TU München (2013).