Sommersemester 2011
Das zunehmende Alter der uns umgebenden Bausubstanz und immer höhere Anforderungen an die zu ertragenden Lasten machen eine Überwachung von bestehenden Gebäuden nötig. Da es aber zu teuer ist, ständig sachkundige Ingenieure vor Ort zu haben und da auch eine kabelgestützte Überwachung nicht unerhebliche Kosten verursacht, wurden in den letzten Jahren Verfahren zur drahtlosen Bauwerksüberwachung entwickelt. Auch bei neuen Konstruktionen, die teilweise sehr schlank ausgeführt werden, kann eine Dauerüberwachung sinnvoll sein, denn ein frühes Erkennen von Schäden kann eine Reparatur um ein Vielfaches billiger machen, als die Schäden über viele Jahre nicht zu entdecken und zu “verschleppen”.
Bei der drahtlosen Bauwerksüberwachung werden Sensorknoten (sog. Motes) am Bauwerk befestigt. Sie erfassen die Daten ihrer Umwelt (z.B. Temperaturen, Beschleunigungen, Drücke), verarbeiten sie und leiten sie dann in einem drahtlosen Netzwerk zu einem zentralen Computer. Dort können die Daten von einem Menschen ausgelesen und interpretiert werden. Auch eine Umprogrammierung der Motes ist vom Zentralcomputer aus möglich.
Es ist von Interesse, die Motes so auszulegen, dass sie möglichst klein sind und möglichst wenig Energie verbrauchen. Daher findet man in einem Mote nicht nur einen Sensor, sondern einen kleinen Computer, der in der Lage ist, die ermittelten Daten zu verarbeiten und erste Interpretationen durchzuführen, um nur die relevanten Daten an einen zentralen Computer weiterzuleiten. Dieses Vorgehen ist wichtig, weil gerade das Senden der Daten am energieaufwendigsten ist und das Sparen von Energie eines der Hauptziele in der Mote-Entwicklung darstellt.
Die Mikrosystemtechnik ist ein noch verhältnismäßig junges Fachgebiet und die Begriffsdefinitionen nicht immer leicht zu fassen. Daher sollen im Folgenden die wichtigsten Begriffe geklärt werden:
Sensor: In seiner grundlegendsten Bedeutung kann das Wort Sensor mit dem Begriff Messfühler synonym benutzt werden. Er kann die physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften seiner Umgebung qualitativ und/oder quantitativ erfassen. Im Gegensatz dazu ist Glaser [1] der Meinung, dass Sensoren heute längst nicht mehr nur als Messfühler verstanden werden sollten. Durch die Errungenschaften der Mikrosystemtechnik sei es möglich geworden, mehrere Sensoren zu einer Messeinheit zusammenzuschließen und auch Datenverarbeitung und Kommunikationseinrichtungen in einem Sensor zusammenzufassen.
MEMS: Kurzfassung des Begriffes Mikroelektromechanische Systeme bzw. microelectromechanical systems. “Hierbei handelt es sich um sehr kleine mechanische Systeme, die Energie bzw. Signale einer Domäne (mechanisch, elektrisch, magnetisch …) in Energie oder Signale einer anderen Domäne verwandeln”. [2] Die Herstellung von MEMS erfolgt, genau wie die Produktion von Halbleiterbauelementen, durch Ätzverfahren.
Mote: Motes sind Sensorknoten, in denen Sensoren, Energieversorgung, Kommunikationseinheit und Recheneinheiten kombiniert wurden.
Abb.1: Auf den Silizium-Wafern werden viele mikromechanische Sensoren gleichzeitig hergestellt, die vor allem im Automobil sowie auch in Mobiltelefonen, Taschencomputern oder Spielkonsolen eingesetzt werden. Die Chips mit mikroskopisch feinen Strukturen sind nur noch Fingernagel groß. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wafer_2_Zoll_bis_8_Zoll.jpg#/media/File:Wafer_2_Zoll_bis_8_Zoll.jpg. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons |
Die Bauteile eines Motes sollten immer im Hinblick auf die jeweilige Anwendung ausgesucht werden. Vor Allem ihre Größe, Kosten und ihr Energieverbrauch müssen zur jeweiligen Aufgabe passen. Es ist jedoch nicht nötig, für jede Anwendung komplette Mote-Unikate herzustellen. Meistens kann man Motes zumindest teilweise aus handelsüblichen Komponenten zusammenstellen.
Die Optimierung eines Motes sollte sich jedoch nicht nur auf seine einzelnen Komponenten konzentrieren. Auch die Art, wie der Mote am Ende eingesetzt werden soll, ist eine wichtige Entscheidung, die bei der Planung einer drahtlosen Bauwerksüberwachung Beachtung finden sollte. Der Mote kann entweder ereignisgesteuert (der Mote ist ausgeschaltet, bis ein bestimmtes Ereignis eintritt), periodisch (der Mote schaltet sich in bestimmten Intervallen ein, ermittelt die Messwerte und schaltet sich dann wieder aus) oder zur Funktionsapproximation arbeiten. Bei letzterer werden die ermittelten Daten nicht nur vom Mote gesammelt, sondern es erfolgt auch schon eine erste Interpretation der Daten. Ein solches Vorgehen könnte man zum Beispiel nutzen, um Isothermen einer Brandentwicklung in einem Gebäude zu ermitteln.
Mit der heutigen Technologie ist es möglich, einen Mote zu bauen, dessen Volumen 1 cm^3 nicht übersteigt, der weniger als 100 g wiegt und der trotzdem noch weniger als 1 US$ kostet. [3] Auch wesentlich kleinere Motes sind heute schon möglich. Ob diese in der drahtlosen Bauwerksüberwachung sinnvoll eingesetzt werden können ist jedoch fraglich.
Der schematische Aufbau eines Motes ist in Abbildung 2 zu sehen.
CPU: (Central Processing Unit) Die CPU leitet die relevanten Daten weiter und ist in der Lage, Programme auszuführen. Durch sie und die im Speicher abgelegten Programme erfolgt bereits auf dem Mote eine erst Datenanalyse und -reduktion.
Speicher: Hier werden Daten und kleinere Auswertungsprogramme abgelegt. Wenn es verschiedene Sensoren gibt werden die verschiedenen Daten oft in verschiedenen Speichern abgelegt.
Kommunikationseinheit: Dieser Teil des Motes ist dafür verantwortlich, die Kommunikation zwischen den Motes möglich zu machen. Erst so entsteht ein drahtloses Sensornetzwerk. Ob es sich bei der Kommunikationseinheit um ein Funkmodul oder um andere drahtlose Datenübertragungsmöglichkeiten (z.B. Laser) handelt, hängt von der jeweiligen Anwendung ab. Die Datenübertragung ist der Prozess, der am meisten Strom verbraucht. Daher sollten die Datenübertragungszeiten möglichst kurz gehalten werden.
Energieversorgung: Die Energieversorgung sicherzustellen ist eins der größten Probleme drahtloser Sensornetzwerke. Hierbei kann es sich um Batterien oder um Geräte handeln, die sich ihre Energie mittels Energy Harvesting selbst beschaffen (z.B. mit Solarzellen).
Sensoren/ Aktoren: Sie bilden die eigentliche Verbindung zur Außenwelt. Sensoren wandeln gemessene Größen in elektrischen Strom um. Manchmal ist es günstig, verschiedene Sensoren zu kombinieren, um Messwerte zu erhalten. So erzeugt zum Beispiel das Biegen eines Bauteils thermische Energie. Wenn diese groß genug ist, um gemessen werden zu können, kann man mit Hilfe von Thermosensoren auf die mechanische Beanspruchung des Bauteils schließen. Aktoren wandeln elektrischen Strom in mechanische Energie um.
Abb.2: Komponenten eines Motes | Abb.3: oben: MicaZ Mote; unten: MDA100 Entwurfsplatine mit Licht- und Temperatursensor |
Sensoren sind die Bauteile eines Motes, die die physikalischen oder chemischen Eigenschaften der Umgebung des Motes erkennen und in verarbeitbare Signale (z.B. elektrische Signale) umwandeln können. Die Erfassung der Messgrößen kann hierbei qualitativ oder quantitativ erfolgen.
Herkömmliche Sensoreinheiten sind meist relativ groß und verbrauchen viel Energie. Daher sind sie für die drahtlose Bauwerksüberwachung nur bedingt in sogenannten hybriden Motes einsetzbar. Ein Großteil der herkömmlichen Sensoren wird heute durch MEMS ersetzt. Diese mikroelektromechanischen Systeme weisen sowohl elektrische als auch mechanische Komponenten auf und können auf Chips integriert und so als Sensoren in einen Mote eingefügt werden.
Die Einteilung der Sensoreinheiten kann nach ihrem Energieverbrauch (aktive und passive Sensoren) oder nach der Art der Messung erfolgen. In der Mikrosystemtechnik werden Sensoren auch als Wandler bezeichnet, da sie physikalische Größen in elektrischen Strom umwandeln.
Aktive Sensoren brauchen Strom, um Messergebnisse liefern zu können. Die auf ihnen angebrachten Wandler sind passiv. Bei Veränderung der Umgebungsbedingungen ändern sich auch ihre Parameter. Um dies als elektrisches Signal darstellen zu können, muss ein Hilfsstrom angelegt werden, damit eine Primärelektronik die Änderung der Messwerte in elektrischen Strom umwandeln kann. Mit diesen Sensoren ist es möglich, statische und quasi-statische Gegebenheiten zu erfassen, da die Lieferung eines Messwertes nicht an die Änderung einer physikalischen Größe gebunden ist.
Diese Sensoren haben, im Vergleich zu passiven Sensoren, verbesserte Eigenschaften hinsichtlich der Empfindlichkeit, der Linearität und der Bandbreite der erfassbaren Messwerte. Da ohnehin eine Energieversorgung der Sensoren vonnöten ist, werden häufig auch schon Teile der Signalkonditionierung in den MEMS-basierten aktiven Sensoren erledigt. [4]
Ein Beispiel für aktive Sensoren sind Dehnmessstreifen. Die in ihnen verbauten Materialien ändern bei dehnenden Verformungen ihren elektrischen Widerstand. Um diesen messen zu können muss der Sensor an eine Stromquelle angeschlossen sein.
Passive Sensoren brauchen keine externe Energie, um Messwerte liefern zu können. Die in ihnen enthaltenen Wandler sind aktiv, das heißt sie liefern Energie, wenn sich die von ihnen zu erfassende Größe ändert. Statische Verhältnisse kann man mit ihnen nicht aufzeichnen. Piezoelektrische Wandler können z.B. in passiven Sensoren verbaut werden.
Das einzige Beispiel für passive Sensoren, mit denen man statische Verhältnisse aufzeichnen kann, sind Temperatursensoren. Sie liefern auch bei konstanter Temperatur eine Spannung, indem sie den Seebeck-Effekt nutzen.
Konventionelle Sensoren sind häufig zu groß und damit zu teuer, um mit ihnen eine kostengünstige Bauwerksüberwachung durchzuführen. Daher werden zunehmend die Möglichkeiten der Mikrosystemtechnik genutzt, um sehr kleine Sensoren zu bauen. Mit ihnen ist heute z.B. die Detektion von Temperaturen, Beschleunigungen, Drücken, Kräften, Strahlung, chemischen Substanzen und biologischen Strukturen möglich. [2] Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, wie die Messung der einzelnen Größen in MEMS realisiert werden kann. Der Fokus liegt dabei auf den verschiedenen Prinzipien, mit denen die einzelnen Sensoren arbeiten.
Es gibt zwei grundlegend verschiedene Möglichkeiten, Temperaturen zu messen: Zum Einen kann die Messung erfolgen, während eine Berührung zwischen Sensor und dem zu messenden Bauteil besteht. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Temperaturen berührungslos zu messen. Wenn ein Kontakt zwischen Sensor und Medium besteht kann dies zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen, wenn die Temperatur des Sensors die des Bauteils beeinflusst. Dieser Effekt kann dadurch ausgeschaltet werden, dass die Masse und die spezifische Wärmekapazität des Sensors wesentlich kleiner sind als die des Bauteils. Laut Schwesinger [2] können die in Tabelle 1 genannten Wandlungseffekte zur Temperaturmessung genutzt werden:
zu messende Größe | Wandlungseffekt |
---|---|
Temperaturänderung | Änderung der elektrischen Leitfähigkeit |
Temperaturänderung | Änderung der Polarisation |
Temperaturdifferenz | elektrische Spannung |
Infrarotstrahlung | elektrische Spannung |
Tabelle 1: Wandlungseffekte für die Temperaturmessung nach Schwesinger [2]
Thermosensoren, die durch den Kontakt mit dem Trägerbauteil funktionieren, nutzen den Umstand, dass sich die elektrische Leitfähigkeit eines Metalls ändert, wenn sich seine Temperatur ändert. Bei steigender Temperatur beginnt die Gitterstruktur des Metalls immer stärker zu schwingen. Das behindert die Bewegung der freien Ladungsträger, weshalb die elektrische Leitfähigkeit bei steigender Temperatur abnimmt. In der Mikrosystemtechnik kann dieser Effekt umgesetzt werden, indem man schichtförmige Widertstandsanordnungen auf einem Träger anbringt und dann den Widerstandswert mittels einer Brückenschaltung ermittelt.
Kontaktlose Anordnungen sind so genannte Bolometer oder Messeinrichtungen, die den Seebeck-Effekt ausnutzen. Bolometer nutzen einen 2-stufigen Wandlungsprozess, bei dem eintreffende Wärmestrahlung zunächst absorbiert wird. Mit Hilfe der absorbierten Strahlung wird dann ein Widerstandsmaterial erwärmt, dessen elektrische Leitfähigkeit sich auf Grund der höheren Temperaturen ändert. Der Seebeck-Effekt beruht auf dem Umstand, dass in in einem Stromkreis zwei Leiter unterschiedlicher Temperatur befinden, zwischen denen man die entstehende Spannung messen kann.
Abb.4: MDA100 Entwurfsplatine mit Licht- und Temperatursensor |
Die Funktion dieser Sensoren beruht auf dem Piezoelektrischen Effekt. Dieser besagt, dass bei mechanischer Beanspruchung eines piezoelektrischen Materials Ladungsträger so verschoben werden, dass bei einer geeigneten Lage der Elektroden eine Spannung gemessen werden kann. Da bei der mechanischen Einwirkung auf ein Piezomaterial direkt elektrische Energie entsteht, kann ein Piezoelektrischer Sensor der Gruppe der passiven Sensoren zugeordnet werden. In der Mikrosystemtechnik werden meist Zinkoxid oder Aluminiumnitrid als piezoelektrische Dünnschichten eingesetzt.
Piezoelektrische Sensoren können zur Bestimmung von Druck, Beschleunigung, Spannung und Kraft verwendet werden. Sie können auch dazu benutzt werden, das Schwingungsverhalten von Bauwerken zu analysieren und durch die Änderung des Verhaltens mit der Zeit mögliche Schäden am Bauwerk zu detektieren.
Diese Sensoren werden vornehmlich in Dehnungsmessstreifen eingesetzt. In ihnen werden piezoresistive Materialien verwendet. Bei der Dehnung eines solchen Materials ändert sich sein elektrischer Widerstand. Zur Messung der Dehnung muss also ein Strom an den Dehnungsmessstreifen angelegt werden. Je nach dem, ob der Strom parallel oder quer zur Dehnungsrichtung fließt wird der elektrische Widerstand mit zunehmender Dehnung kleiner oder größer.
In der Halbleitertechnik werden hauptsächlich Germanium, polykristallines Silizium oder amorphes Silizium als piezoresistive Materialien verwendet.
Der Einsatz von piezoresistiven Sensoren in der drahtlosen Bauwerksüberwachung ist nicht einfach, da zur Gewinnung eines Messergebnisses immer eine Spannung anliegen muss und die zur Verfügung stehende Energie für drahtlose Sensoren nicht unendlich vorhanden ist.
Hier wird eine Anordnung von Bauteilen durch die Einwirkung mechanischer Energie verformt. Dabei handelt es sich meist um Masse-Feder-Systeme, die bei einer Beschleunigung ausgelenkt werden. Durch diese Auslenkung verändert sich der Abstand des gefedert und des fest gelagerten Systemteils. Bei den Systemteilen handelt es sich um Kondensatoren. Durch die Bewegung der Kondensatorplatten kommt es zu einer Kapazitätsänderung, die zwar sehr klein, aber trotzdem messbar ist.
MEMS sollen nicht nur für die Überwachung der Innenräume von Gebäuden verwendet werden. Um das Bauteilverhalten überwachen zu können, sollen MEMS auch an der Gebäudeaußenhülle angebracht werden. Hierfür müssen sie widrigen Umweltbedingungen wie Sonneneinstrahlung, Frost und großer Feuchtigkeit standhalten können.
Doch nicht nur die äußere Umwelt kann für MEMS zum Problem werden. Ein weiterer Faktor, der die Lebensdauer eines mikromechanischen Systems begrenzt, sind Ermüdungsrisse in den Silikonbauteilen und hoher Abrieb zwischen den mikromechanischen Bauteilen. Geringe Luftfeuchtigkeit in der Umgebung eines MEMS kann den Abrieb zwischen den Mikrobauteilen fördern.
Die drahtlose Bauwerksüberwachung steckt noch in den Kinderschuhen. Vorstellbar sind jedoch Anwendungen von Sensoren und MEMS in der Branddetektion, bei der Schallemissionsanalyse zur Detektion von Rissen im Bauteil, oder als Dehnungssensoren. Auch in der Temperatursensorik zur Steuerung von Klimaanlagen in Gebäuden könnten MEMS verbreitete Anwendung finden.