Mathias Sebastian Palm, 23.07.2014
Im Gegensatz zur herkömmlichen Computertomographie (CT) werden bei der Zwei-Spektren-CT zwei Serien von Röntgenaufnahmen mit jeweils verschiedenem Röntgenspektrum aufgezeichnet. Dies kann durch gleichzeitigen Einsatz zweier Röntgenröhren in einer Anlage oder bei Anlagen mit einer Röntgenquelle durch zwei aufeinanderfolgende Aufnahmen geschehen. Dadurch können z.B. die Dichte und chemische Ordnungszahl der untersuchten Materialien zerstörungsfrei bestimmt werden oder durch Anwendung spezieller Algorithmen der Kontrast gesteigert werden.
Für die Geschichte der Röntgenstrahlung sei auf den Artikel zu Radiographie verwiesen.
Die mathematischen Grundlagen der CT wurden durch den österreichischen Mathematiker Johann Radon 1917 in Form der Radontransformation entwickelt. In Unkenntnis der Arbeiten von Radon wurden zwischen 1957 und 1963 von Allan M. Cormack Studien durchgeführt und mathematische Methoden erarbeitet. Erst mit der fortschreitenden Entwicklung von Computern war die Realisierung einer CT Anlage möglich. 1969 baute der Elektrotechniker Godfrey Hounsfield für die EMI Group Prototypen und entwickelte diese zu einem marktreifen Modell weiter. Er musste dabei ebenfalls mathematische Grundlagen der Bildrekonstruktion selbst entwickeln, da er die Arbeiten von Cormack noch nicht kannte. 1972 wurde die erste kommerzielle CT Anlage der EMI Group installiert. Durch die neuen medizinischen Möglichkeiten der dreidimensionalen Darstellung von Körperstrukturen war die CT als neue Technologie sofort anerkannt und gefragt. 1979 erhielten Cormack und Hounsfield den Nobelpreis für „Physiologie oder Medizin“ für die Entwicklung der CT. [1]
Seit den 1990er Jahren werden kommerzielle Geräte zur Zwei-Spektren-CT angeboten. Die Stärken dieser Geräte in der Medizin sind verminderte Artefakte in den Bildern und die Möglichkeit zur präzisen Messung der Dichte von Knochen. [1]
Wie viele andere Verfahren der zerstörungsfreien Prüfung wurden die konventionelle CT und Zwei-Spektren-CT zunächst für medizinische Zwecke eingesetzt, bevor sie zur industriellen Prüfung von Bauteilen verwendet wurden. [2] Die erzeugten dreidimensionalen Bilder mit hoher Auflösung bieten die Möglichkeit selbst kleinste Defekte und innenliegende Strukturen in Bauteilen sichtbar zu machen und quantitativ auszuwerten. [3] Insbesondere bei der Prüfung von Faserverbundbauteilen, die einen immer größeren Anteil an der zerstörungsfreien Prüfung haben, bietet die CT Vorteile. [2]
Physikalisch läuft jede Messung für eine CT nach dem Prinzip der Radiographie ab. Dabei wird das zu untersuchende Objekt Röntgenstrahlung ausgesetzt, einer elektromagnetischen Strahlung, die durch die starke Beschleunigung von Elektronen und der anschließenden Abbremsung an der Anode erzeugt wird. Die Restintensität der durch das Objekt transmittierten Röntgenstrahlung wird von einem Detektor (üblicherweise einem Flachbild- oder Zeilendetektor) pixelweise gemessen. Anhand der Abschwächung durch das Objekt können Dichteunterschiede innerhalb des Objekts qualitativ sichtbar gemacht werden. Sie enthalten jedoch keine direkten Dichteinformationen. Die Abschwächung im Material erfolgt durch Absorption und Streuung der Photonen, aus denen die Röntgenstrahlung besteht. Für weitergehende Informationen zu Röntgenstrahlung und Strahlungsschwächung sei auf den Artikel zur Röntgentomographie verwiesen. [4]
Für eine vollständige CT Messung muss sich entweder die Röntgenquelle und der Detektor oder das Objekt selbst um 180° bzw. 360° drehen. Dabei werden Röntgenaufnahmen, sog. Projektionen, bei verschiedenen Drehwinkeln aufgenommen. Durch den im Computer ablaufenden Rekonstruktionsalgorithmus (meist Feldkamp Algorithmus oder iterative Bildrekonstruktion) werden die Röntgenbilder bei verschiedenen Drehwinkeln zu einem Volumenmodell des Objektes verarbeitet. In diesem kann die Schwächung der Röntgenstrahlung für jedes Voxel, was einem dreidimensionalen Pixel entspricht, mit entsprechender Software visualisiert und untersucht werden. Die Schwierigkeit liegt bei diesem Prozess besonders in der Mathematik zur Findung eines geeigneten Rekonstruktionsalgorithmus, der auf einem Computer ausgeführt wird. Die Notwendigkeit eines Computers zur Rekonstruktion der Daten unterscheidet die CT von Verfahren wie etwa der Röntgentomographie. [1]
Bei der Zwei-Spektren-CT wird dieser Vorgang mit zwei verschiedenen Beschleunigungsenergien der Elektronen zwischen Kathode und Anode, sowie mit geeigneten Vorfiltern (z. B. Al, Cu, Sn) durchgeführt, was zu zwei unterschiedlichen Röntgenspektren führt. Durch den Einsatz dünner Metallplatten als Vorfilter erreicht man, dass ein gewünschtes, noch stärker begrenztes Röntgenspektrum erzeugt wird. Dabei findet ein Spektrum mit hohem und eins mit niedrigem Energieniveau Verwendung. Die Erzeugung läuft mit zwei verschiedenen Röntgenröhren ab. [5] Ebenso ist es möglich zwei aufeinanderfolgende Aufnahmen mit unterschiedlichen Messparametern durchzuführen.
Die beiden erzeugten Volumenscans werden anschließend von einer Software nach z.B. der Heismann Theorie [6] überlagert. Auf diese Weise sind im Gegensatz zur klassischen CT nicht nur vergleichende qualitative, sondern auch quantitative Aussagen hinsichtlich der Kernladungszahl und Dichte des untersuchten Materials möglich. [7] Diese lassen sich mit der im Folgenden beschriebenen \rho Z-Projektion bestimmen. [6] Damit sind auch Aussagen zu schwer erfassbaren Größen wie der Porosität von Verbundwerkstoffen möglich. [7]
Nach Heismann wird der lineare Schwächungskoeffizient \mu aus dem Lambert-Beerschen Gesetz wie folgt mit der Intensität I, der gesamten Intensität des Röntgenspektrums I_0 und der Strecke d durch das Objekt berechnet. Dieser Ausdruck kann umgeformt werden und somit kann \mu mit d, dem Röntgenspektrum S(E), der Detektorsensitivität D(E) und dem linearen Schwächungskoeffizienten \kappa (E) bestimmt werden: [6]
\mu = \lim_{d \to 0}\left [- \frac{1}{d}\ln \left ( \frac{I}{I_0} \right ) \right ] = \lim_{d \to 0}\left [- \frac{1}{d}\ln \left ( \frac{\int S(E)D(E)e^{-\kappa (E)d}dE}{\int S(E)D(E)dE} \right ) \right ]
Durch die Definition der elementaren Gewichtungsfunktion für die Zwei-Spektren-CT [6] w(E) = \frac{S(E)D(E)}{\int S(E)D(E)dE} lässt sich obige Gleichung nach [6] vereinfachen zu:
\mu = \int w(E)\kappa (E)dE
Für beide Messungen ergibt sich damit nach [6] in Matrixschreibweise folgendes System:
\binom{\mu_1}{\mu_2} = \rho * \binom{\int w_1(E)\left ( \frac{\kappa}{\rho} \right )(E,Z)dE }{\int w_2(E)\left ( \frac{\kappa}{\rho} \right )(E,Z)dE}
Durch Invertierung dieses Systems lassen sich Dichte \rho und chemische Kernladungszahl Z nach [6] bestimmen:
\binom{\mu_1(\rho,Z)}{\mu_2(\rho,Z)}\to \binom{\rho(\mu_1,\mu_2)}{Z(\mu_1,\mu_2)}
Die Massenschwächungskoeffizienten \frac{\kappa}{\rho} können dazu Tabellenwerken des National Institute of Standards and Technology (NIST) entnommen werden. [8]
Die Vorteile der CT in der zerstörungsfreien Prüfung sind vielfältig. Bauteile können auf innen liegende Fehlstellen untersucht werden, die dreidimensional sichtbar gemacht und quantitativ erfasst werden können. Die hohe erzielbare Auflösung mit Mikro-CT Anlagen macht dabei je nach Prüfsituation auch kleinste Defekte im \mu m Bereich sichtbar. [9] Daher wird die CT in der zerstörungsfreien Prüfung oft als Referenzmethode herangezogen, um die Tauglichkeit anderer Methoden zu überprüfen.
Bei der Zwei-Spektren-CT lassen sich Dichteunterschiede und damit verschiedene Materialien oft besser unterscheiden als bei der herkömmlichen CT. Auch entstehende Artefakte in den erzeugten Bildern werden reduziert. [10]
Der größte Nachteil der CT liegt in den hohen Kosten der Messgeräte und dem hohen Aufwand der Messungen. Durch die oft hohe notwendige Anzahl an Projektionen für eine CT Aufnahme ist die benötigte Zeit stark von der Belichtungsdauer jeder einzelnen Messung abhängig. Die Zwei-Spektren-CT verstärkt diesen Effekt noch, da hier die doppelte Anzahl an Messungen durchgeführt werden muss als bei der herkömmlichen CT. Zudem sind die Messgeräte sperrig und schwer und erfordern, dass das zu prüfende Bauteil in das Gerät hinein passt und drehbar befestigt werden kann. Diese Nachteile machen die CT meist nur für kleine, sehr teure Bauteile der Luft- und Raumfahrt als Prüfmethode wirtschaftlich. [3]