Manuel Norbert Loos, Sommersemester 2011


English translation


Mit Hilfe des Wirbelstromverfahrens ist es möglich die Schichtdicken auf metallischen Substraten (Bezeichnung des Untergrunds in der Oberflächentechnik) zu messen. In den meisten Fällen werden die Dicken von Lacken und anderen versiegelnden Beschichtungen gemessen.

Historie

Die ursprünglichen Untersuchungen zur Wirbelstromtechnik gehen auf Friedrich Förster (1908 – 1999), einem deutschen Physiker, zurück. Er befasste sich in erster Linie mit Materialforschung an Metallen; hierbei gelang ihm der Nachweis des Einflusses des Magnetfelds der Erde an Metallen. Darauf begründete er seine Darstellungen zu Wirbelstrommodellen, die mathematisch und physikalisch sehr anspruchsvoll sind und im Folgenden vereinfacht dargestellt werden. [1]

Physikalische Grundlagen der Wirbelstromtechnik

In elektrisch leitfähigen Materialien wie Eisen, Aluminium oder Kupfer kann negative Ladung fließen, der elektrische Strom. Wenn elektrisch leitfähige Gegenstände in ein Magnetfeld gebracht werden, werden sie von diesem Magnetfeld durchdrungen, welches im Material Wirbelströme erzeugt. Der Begriff des Wirbels begründet sich in der Bewegung der Elektronen auf gekrümmten Bahnen im Rhythmus des magnetischen Wechselfelds. Die Bewegung der Elektronen ihrerseits bewirkt ebenfalls ein magnetisches Wechselfeld, welches als Sekundärfeld bezeichnet wird. Es schwächt das erregende Magnetfeld (Primärfeld), weil es gegen dieses gerichtet ist. [1] Das Prinzip ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Wirbelstromprinzip nach Stegemann [1]

Die Wechselspannung des Wirbelstroms U(t) wie auch die Stromstärke I(t) genügt als Funktion der Zeit t folgenden Formeln:

U(t) = U_m * sin⁡(ωt)

I(t) = I_m * sin⁡(ωt)

U_m und I_m sind die Scheitelwerte der Spannung bzw. der Stromstärke. \omega ist die Kreisfrequenz. Aus der Wechselspannung des Stroms wird ein magnetisches Feld der Feldstärke H erzeugt, die sich nach dem gleichen Zusammenhang verändert:

H(t) = H_m * sin(ωt)

H = nI/l \quad [A/m]

Die Feldstärke ist der Quotient aus dem Produkt der Spulenwindungszahl und der Stromstärke und der mittleren Feldlinienlänge. Die beiden weiteren wichtigen Größen im Zusammenhang mit dem Phänomen des Elektromagnetismus sind der magnetische Fluss \Phi und die magnetische Flussdichte B. Der magnetische Fluss ist als vektorielle Größe zu verstehen, die die Feldlinienrichtung angibt und sich anschaulich durch die Anzahl der Feldlinien deuten lässt. Die magnetische Flussdichte B gibt den Fluss pro Flächeneinheit an und wird in Vs/m^2 oder auch Tesla [T] angegeben:

B = Φ/A \quad [Vs/m^2 = T]

Der Zusammenhang zwischen Feldstärke und Flussdichte wird durch folgende Beziehung deutlich:

B = \mu_0 * \mu_r * H

Die magnetische Feldkonstante \mu_0, die für mit bestimmten Materialien gefüllte Räume gilt, und die Permeabilitätszahl \mu_r bilden zusammen die Permeabilität \mu. Die Permeabilitätszahl ist für nichtferromagnetische Stoffe eins und nimmt für magnetische Stoffe sehr hohe Werte von 6.000 (unlegiertes Eisen) bis zu 300.000 (Nickel) an. Bei der Schichtdickenmessung spielt daneben vor allem die Induktivität L die entscheidende Rolle, welche die wesentlichen Spuleneigenschaften zusammenfasst:

L = \mu_0 * \mu_r * n_2 * A/l

Die Induktivität nimmt im Bereich geringer Abstände der Messsonde und des metallischen Substrats mit zunehmendem Abstand zu, was gemessen werden kann. [1]

Abbildung 2: Darstellung der physikalischen Grundlage von Wirbelstrom-Abstandsmessung

Prinzip der Messung

Grundsätzlich werden zwei verschiedene Messaufgaben unterschieden, deren Messprinzip nachfolgend erklärt wird:

  • Messung der Dicke einer elektrisch leitenden Schicht auf einem nichtleitenden Grundwerkstoff
  • Messung der Dicke einer nicht leitenden Schicht auf einem leitenden Grundwerkstoff

Wird eine elektrisch leitende Schicht gemessen, muss zunächst eine Eichkurve aufgestellt werden. Beträgt die Schichtdicke Null, so muss das Empfängersignal ebenfalls Null sein, da ja der Untergrund elektrisch nicht leitfähig ist und somit keine Änderung des Magnetfelds hervorruft. Danach werden Schichten mit zunehmender Dicke aufgetragen, wobei das Signal am Empfänger zunimmt; die Zunahme hängt von der elektrischen Leitfähigkeit sowie der Permeabilitätszahl des aufgebrachten Materials ab. Die Stärke des Empfängersignals aufgetragen über der Schichtdicke ergibt die Eichkurve, anhand der dann zerstörungsfreie Messungen der Dicken möglich sind.

Im Fall der Messung einer nicht leitenden Schicht auf einem leitenden Substrat wird ebenfalls das Grundsignal ohne aufgebrachte Beschichtung gemessen. Für verschiedene Schichtdicken werden dann ebenfalls die weiteren Empfängersignale gemessen, sodass sich eine Eichkurve ergibt. Die messtechnische Grundlage für die Änderung der Signale sind die Abstandsortskurven, welche den Verlauf des Arbeitspunkts der Empfängerspulenspannung in der Impedanzebene angibt, wenn der Abstand zwischen Empfängerspule und Prüfoberfläche verändert wird. Wird der Abstand zwischen Oberfläche und Empfängerspule verändert bzw. werden verschiedene Schichtdicken gemessen, ändert sich die geometrischen Verhältnisse der Prüfanordnung. Damit verbunden ist eine Änderung der räumlichen Verteilung der magnetischen Feldstärke und der Wirbelstromdichte im Prüfkörper und somit das Signal an der Empfängerspule. Im Graphen der Abstandsortskurven ist das imaginäre Verhältnis der Empfängerspulenspannung mit Werkstück UE und der Empfängerspulenspannung ohne Werkstück UEL über dem realen Verhältnis der beiden Werte aufgetragen. Die verschiedenen Ortskurven sind abhängig von der Frequenz des Prüf-Wechselstroms. [1]

Bei modernen in der Anwendung befindlichen Messgeräten für die Schichtdickenmessung werden jedoch die Abstandsortskurven nicht dargestellt, sondern lediglich die bereits errechneten Schichtdicken. Es wird also stets eine indirekte Messung der Dicken durchgeführt.

Abbildung 3: Abstandsortskurven bei der Schichtdickenmessung nach [1]

Anwendung

Die Anwendungen zur Schichtdickenmessung sind im Moment in folgenden beiden Normen geregelt:

  • E DIN EN ISO 2808:2004: Bestimmung der Schichtdicke
  • DIN EN ISO 2360: Nichtleitende Überzüge auf nichtmagnetischen metallischen Grundwerkstoffen – Messung der Schichtdicke – Wirbelstromverfahren

Die erstgenannte Norm geht auf alle zu verwendenden Messverfahren ein; die Norm 2360 behandelt im Speziellen das Wirbelstromverfahren. Zur Kompensation von Messfehlern und zum Ausgleich störender Effekte im Prozess der Fahrzeugfertigung liefern die Hersteller von Schichtdickenmessgeräten mit Wirbelstrom vor allem kombinierte Geräte, die sowohl eine Messung auf Wirbelstrom- als auch auf Magnetinduktionsbasis durchführen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Messung im Moment nicht automatisiert im Prozess stattfindet, sondern im Rahmen der Qualitätssicherung manuell an Stichproben aus dem Prozess erfolgt. Des Weiteren werden die Schichtdicken bei der Einführung neuer Farben auf Probeblechen und Karossen aus dem Prozess durchgeführt, um den Farbauftrag einzustellen und zu optimieren (aus einem Gespräch mit Dr. Michael Stoll, Planer Lacktechnologien bei der AUDI AG und Mitglied im Normenausschuss).

Die Kalibrierung der Geräte im eigentlichen Sinn findet beim Automobilproduzenten nicht statt. Dies liegt an der Tatsache, dass in der Automobilindustrie stets die gleichen Blechdicken zum Einsatz kommen. Somit reicht eine wöchentliche Kontrolle des Geräts aus. Es werden also von der BAM gemessene Kontrollbleche gemessen; sofern die richtige von der BAM festgestellte Dicke ausgegeben wird, ist das Gerät weiterhin einsatzfähig. Im Falle einer falschen Messung wird das Gerät zur Kalibrierung an den Hersteller gegeben.

In den Bildern ist ein Laborgerät dargestellt, welches vor allem für Prüftafeln zum Lackauftrag verwendet wird. Es gibt weiterhin Handheld-Geräte, die direkt an der Produktionslinie genutzt werden können.

Auf dem Monitor des Prüfgeräts wird die Schichtdicke direkt ausgegeben. Die Messwerte werden in einer fortlaufenden Tabelle gespeichert. Der Prüfkopf wird zur Messung auf das Blech orthogonal aufgesetzt und der Auslöser am Prüfkopf wird nach unten gedrückt, wodurch dann die Messung ausgelöst wird.

Abbildung 4: Labor-Prüfgerät und PrüfblechAbbildung 5: Messung mit dem Labor-Prüfgerät

Kritische Würdigung

Im Allgemeinen gilt die Prüfung von Schichtdicken mit Wirbelstrom als sehr zuverlässige Methode zur Messung von Lackdicken auf Blechen im Fahrzeugbau. Einflüsse der Temperatur lassen sich weitgehend ausschließen. Ungenauigkeiten in der Messung können dadurch auftreten, dass vor allem durch Materialfehler andere Wirbelströme gemessen werden, selbst wenn die Schichtdicke gleich bleibt. Da jedoch die zum Einsatz kommenden Bleche im Prozess des Tiefziehens der Bauteile und des Karosseriebaus fortlaufend geprüft werden, kann dieser Störfaktor weitgehend ausgeschlossen werden. Die bereits oben genannten gleichen Blechdicken und auch stets gleichen Materialien (Substrate) mit gleicher Zusammensetzung sichern diese Messmethode zusätzlich ab. Nachteilig ist, dass mit Hilfe der Labor- und auch Handheld-Geräte nur punktuelle Messungen möglich sind im Sinne von Stichproben. Für die Qualitätssicherung von Schichtaufbauten im Automobilbau ist dies jedoch ausreichend, vor allem bedingt durch die hohen Sicherheiten, die aus dem mehrlagigen Schichtaufbau (Grundierung, Füller, Klarlack) an Autos resultieren.

Zur Messgenauigkeit im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass sie mit dem Einsatz von wirbelstrommikroskopischen Verfahren mittlerweile sehr hoch ist. Es lassen sich auf der Oberfläche Ortsauflösungen (in der Ebene) von bis zu 10 \mu m erreichen. Bei der Schichtdickeninformation ist eine Messgenauigkeit von 10 nm möglich. [2] Die Angabe der Lackdicken im Fahrzeugbereich wird üblicherweise in ganzen \mu m, sodass die Messgenauigkeit im Nano-Bereich in jedem Fall für qualitätssichernde Zwecke ausreichend ist.

Literatur

  • E DIN EN ISO 2808:2004: Bestimmung der Schichtdicke. September 2004.
  • DIN EN ISO 2360: Nichtleitende Überzüge auf nichtmagnetischen metallischen Grundwerkstoffen – Messung der Schichtdicke – Wirbelstromverfahren. April 2004.
  • Stegemann, Dieter: Der Einsatz von Wirbelströmen für die Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung. 1. Auflage. DVS Media. Berlin 2010.
  • Szielasko, Klaus; Kopp, Melanie; Tschuncky, Ralf; Lugin, Sergey; Altpeter, Iris: Barkhausenrausch- und Wirbelstrom-Mikroskopie zur ortsaufgelösten Charakterisierung von dünnen Schichten. DACH-Jahrestagung. Salzburg 2004.

Einzelnachweise

  1. Stegemann, Dieter: Der Einsatz von Wirbelströmen für die Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung. 1. Auflage. DVS Media. Berlin 2010.
  2. Szielasko, Klaus; Kopp, Melanie; Tschuncky, Ralf; Lugin, Sergey; Altpeter, Iris: Barkhausenrausch- und Wirbelstrom-Mikroskopie zur ortsaufgelösten Charakterisierung von dünnen Schichten. DACH-Jahrestagung. Salzburg 2004.