Julia Fiebiger, Juli 2014
Durch ein Zertifikat kann ein Mitarbeiter nachweisen, dass er über Kenntnisse in einem oder mehreren zerstörungsfreien Prüfverfahren in einem bestimmten Sektor verfügt.
Die Effektivität aller ZfP-Verfahren hängt in großem Maße von den Fähigkeiten des Prüfpersonals ab. Am schwierigsten sind die richtige Wahl des Prüfverfahrens, die Einstellung der Prüfparameter und die Interpretation der Ergebnisse. Wurde das Prüfpersonal nicht ausreichend geschult, kann es leicht zu Fehlinterpretationen kommen. Werden deshalb kritische Fehler nicht erkannt, kann dies zum unerwarteten Versagen des Bauteils führen. Folgen können Personen- und Sachschäden sein. Deshalb ist es wichtig, das Prüfpersonal ausreichend zu schulen. Die erfolgreiche Teilnahme an einer Schulung mit anschließender Prüfung (in Übereinstimmung mit der Norm DIN EN ISO 9712) wird durch ein Zertifikat bestätigt. Da diese Norm in allen CEN (Europäisches Komitee für Normung) - Mitgliedsländern gilt, wird durch das Zertifikat ein europaweiter Vergleich des Prüfpersonals möglich.
Es ist möglich, in den folgenden ZfP-Verfahren ein Zertifikat zu erhalten: Schallemissions-, Wirbelstrom-, Infrarotthermografie-, Dichtheits-, Magnetpulver-, Eindring-, Durchstrahlungs-, Dehnmessstreifen-, Ultraschall- und Sichtprüfung. Außerdem werden verschiedenen Sektoren unterschieden: Es gibt Produktsektoren, die auf bestimmte Produkte wie Gussstücke, Schmiedestücke oder Verbundstoffe spezialisiert sind, und Industriesektoren, beispielsweise Metallerzeugung und Herstellung oder Luft- und Raumfahrt. Da für jeden Sektor andere Kenntnisse besonders wichtig sind, werden sektorspezifische Schulungen angeboten.
Es gibt drei Qualifizierungsstufen. Je höher die Stufe ist, desto mehr Kenntnisse hat ein Zertifikatsinhaber und desto verantwortungsvollere Aufgaben darf er erledigen. Ein Prüfer der Stufe 1 kann ein ZfP-Verfahren nach einer detaillierten Prüfanweisung und unter Aufsicht eines höher qualifizierten Mitarbeiters durchführen. Dabei darf er das Prüfgerät einstellen, Prüfergebnisse aufzeichnen und über diese berichten. Personal der Stufe 2 kann eine Prüfung nach einer ZfP-Verfahrensbeschreibungen ausführen und darf darüber hinaus das Prüfverfahren auswählen, Anwendungsgrenzen festlegen, die Verfahrensbeschreibung an vorherrschende Arbeitsbedingungen anpassen, Prüfergebnisse bewerten und Mitarbeiter in Stufe 1 und 2 überwachen und anleiten. Ein Mitarbeiter der Stufe 3 hat die Fähigkeit, Ergebnisse zu bewerten und zu interpretieren und verfügt über ausreichende Kenntnisse über Materialien und Herstellungsverfahren in seinem Sektor und über Wissen in andere ZfP-Verfahren. Zu seinen Aufgaben zählt beispielsweise das Aufstellen neuer Prüfanweisungen, das Auslegen von Normen und Regelwerken und das Ausführen und Überwachen von Aufgaben in allen Stufen. Er darf außerdem die volle Verantwortung über ein Prüfungszentrum übernehmen.
Abbildung 1: Überblick über den Ablauf eines Zertifizierungsverfahrens. |
Abbildung 1 gibt einen groben Überblick über den Ablauf eines Zertifizierungsverfahrens. Die einzelnen Schritte werden im Folgenden genauer erklärt:
Um zur Qualifizierungsprüfung zugelassen zu werden, muss ein Kandidat drei Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss er eine ausreichende Sehfähigkeit nachweisen. In einem Sehtest werden Nah- und Farbsehvermögen getestet. Zweitens muss der Kandidat einen Nachweis des Arbeitgebers über bereits unter qualifizierter Aufsicht gesammelte industrielle Erfahrung vorlegen. Je nach Verfahren und Stufe variiert die Mindesterfahrungszeit zwischen einem Monat und einem Jahr. Innerhalb dieses Zeitraums soll der Kandidat beispielsweise lernen, welche Objekte warum geprüft werden und welche Fehlerarten typischerweise auftreten können. Drittens müssen theoretische und praktische Schulungen in Schulungszentren der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) oder anerkannten Ausbildungs- und Schulungszentren besucht werden. Die Mindestschulungszeit beträgt abhängig vom Verfahren und der Qualifizierungsstufe 16 bis 80 Stunden.
Die Prüfung für die Stufen 1 und 2 besteht aus drei Teilen: In den zwei Theorieteilen müssen Multiple-Choice-Fragen aus einem Fragenkatalog beantwortet werden. Der erste Teil ist eine allgemeine Prüfung zu Themen wie Materialkunde. In der speziellen Prüfung werden Verfahrensbeschreibungen und Berechnungen bezüglich des Verfahrens abgefragt, für das der Kandidat zertifiziert werden möchte. Handelt es sich um die Durchstrahlungsprüfung, muss zusätzlich eine Prüfung zum Thema Strahlenschutz abgelegt werden. In der anschließenden praktischen Prüfung muss der Kandidat mehrere Werkstücke prüfen und die Ergebnisse protokollieren. Stufe 1–Kandidaten folgen dabei den Anweisungen des Prüfungsbeauftragten, während Stufe 2-Anwärter die Prüftechnik selbst auswählen. Außerdem müssen Stufe 2–Kandidaten eine Prüfanweisung für ein vorgegebenes Prüfstück erstellen.
Um zur Prüfung der Stufe 3 zugelassen zu werden, muss ein Kandidat eine erfolgreich abgeschlossene praktische Stufe 2–Prüfung nachweisen können. Die Prüfung für Stufe 3 besteht aus zwei schriftlichen Multiple–Choice–Aufgaben. In der Prüfung der Grundlagenkenntnisse wird Wissen über Werkstoffkunde, Verfahrenstechnologie, das Qualifizierungs- und Zertifizierungssystem nach DIN EN ISO 9712 und Stufe 2–Kenntnisse aus mindestens vier anderen Verfahren geprüft. In der Prüfung im Hauptverfahren werden Kenntnisse über das angewendete Prüfverfahren abgefragt. Dazu zählen Normen und Verfahrensbeschreibungen.
Alle Teilprüfungen werden separat bewertet. Um zu bestehen, muss der Kandidat in allen Prüfungsteilen mindestens 70 % der Punkte erreichen. Schafft er das nicht, kann dieser Prüfungsteil bis zu zweimal wiederholt werden. Fällt man auch durch beide Nachprüfungen, muss die Prüfung neu beantragt werden. Man gilt dann als Erstkandidat und muss alle Teilprüfungen nochmals absolvieren. Bei bestandener Qualifizierungsprüfung erhält der Kandidat ein Zeugnis.
Wurden alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt und die Qualifizierungsprüfung bestanden, muss ein Antrag auf Zertifizierung gestellt werden. Die DGZfP stellt nach Prüfung der Unterlagen ein Zertifikat aus. Dieses ist fünf Jahre gültig. Es wird auch vor Ablauf der fünf Jahre ungültig, wenn der Zertifikatsinhaber die jährliche Sehfähigkeitsprüfung nicht mehr erfolgreich absolviert oder gegen die berufsethischen Regeln verstößt.
Vor Vollendung der Gültigkeitsdauer und alle zehn Jahre danach darf die Zertifizierung ohne erneute Prüfung um fünf Jahre verlängert werden, falls der Zertifikatsinhaber einen Nachweis über seine Sehfähigkeit und über fortlaufende Berufstätigkeit in dem Verfahren und Sektor des Zertifikats vorweisen kann.
Vor Ablauf jeder zweiten Gültigkeitsdauer, also alle zehn Jahre, muss eine Rezertifizierungsprüfung abgelegt werden, um die Dauer des Zertifikats um fünf Jahre zu verlängern. In den Rezertifizierungsveranstaltungen der DGZfP werden neuste Kenntnisse zu den Verfahren vermittelt und altes Wissen wieder aufgefrischt. Stufe 1 und 2–Zertifikatsinhaber müssen eine praktische Prüfung ablegen, die wie die praktische Qualifizierungsprüfung abläuft. Stufe 3–Zertifikatsinhaber können zwischen drei Möglichkeiten wählen: Schriftliche Prüfung und Nachweis über fortgesetzte praktische Fähigkeit oder schriftliche und praktische Prüfung oder Kreditsystem und praktische Prüfung. Beim Kreditsystem bekommt man beispielsweise Punkte für ZfP-Forschung, Berufstätigkeit und Teilnahme an Normenausschüssen.
Die Kosten für Schulung, Prüfung, Erneuerung und Rezertifizierung variieren je nach Verfahren und Sektor. Außerdem gibt es Vergünstigungen, wenn man in mehreren Verfahren zertifiziert oder Mitglied in der DGZfP ist. Die Kosten für die Erstzertifizierung und alle dafür benötigten Schulungen belaufen sich auf circa 5000 €. Eine Erneuerung kostet 30 bis 200 €. In den Gebühren für die Rezertifizierung, die 1000 bis 2000 € betragen, ist ein mehrtägiger Auffrischungskurs und die praktische Prüfung enthalten.