Nathalie Braun, August 2014
Mit Hilfe des NMR-Verfahrens (Nuclear Magnetic Resonance) ist es möglich, in Bauteilen gebundene Feuchtigkeit über die Bestimmung des Wasserstoffgehalts zu detektieren. Durch eine Resonanzabsorption der Wasserstoffkerne in einem künstlich erzeugten Magnetfeld werden der Feuchtegehalt und die Feuchteverteilung bestimmt.
Nuclear Magnetic Resonance (NMR), besser bekannt unter den Namen Kernspinresonanz, magnetische Kernresonanz oder kernmagnetische Resonanz, ist eine Bezeichnung für alle Messmethoden, welche auf der resonanten Anregung von magnetischen Kernmomenten beruhen. Die Entdeckung der NMR-Methode wird mit einigen wissenschaftlichen Ereignissen verbunden: Den ersten bedeutenden Meilenstein setze Pieter Zeeman als er im Jahr 1896 entdeckte, dass im Feld eines Elektromagneten optische Spektrallinien aufgespalten werden können (vgl. Zeeman-Effekt). Fast vierzig Jahre später wies Otto Stern darauf aufbauend den Effekt des Protonenspins nach. Dieser dient als physikalische Grundlage der Kernspinresonanz. Im Jahr 1946 gelang es den Wissenschaftler Edward Mills Purcell (Boston) und Felix Bloch (Stanford) fast gleichzeitig, das endgültige NMR-Verfahren unabhängig voneinander zu entwickeln.
In den 70er Jahren wurde die Kernspinresonanz vor allem durch die Anwendung in der Humanmedizin bekannt. Zum damaligen Zeitpunkt war es nicht vorstellbar das Verfahren auf die Baubranche zu übertragen und zur Feuchtemessung in Bauteilen anzuwenden. Da die Messungen abhängig vom gespeicherten Wasser der zu untersuchenden Materie sind, stellte vor allem die enorme Differenz des Wassergehalts menschlicher Körper (80 %) gegenüber dem eines Bauteils eine Problematik der Übertragung dar. Begründet in der Tatsache, dass ein Bauteil einen sehr niedrigen Wassergehalt hat, sind sehr starke Magnetfelder notwendig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.
In den 90er Jahren stieg die Nachfrage nach energieeffizienten und nachhaltigen Bauwerken. Angespornt durch diese Marktänderung entwickelten Wissenschaftler die Vorläufer der Kernspinresonanz zur Feuchtedokumentation, wie sie heute zum Einsatz kommt. Mit den Anfangs eingesetzten klassisch gravimetrischen Methoden konnten allerdings weder komplett zerstörungsfreie (Probenentnahmen) noch kurzfristige Messungen (Labortrocknung nötig) durchgeführt werden. Das Prüfobjekt musste in einen umschließenden Sensor (meist im Labor) eingesetzt werden. Verbunden mit der Tatsache, dass die zerstörungsfreie Prüfung aber in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Bauwerksdokumentation rückt, wurde mit Hochdruck an der Weiterentwicklung des NMR-Verfahrens gearbeitet, um einer In-situ Feuchtebestimmung gerecht zu werden.
NMR-Verfahren beruhen auf der physikalischen Grundlage der auftretenden Wechselwirkungen bzw. dem Verhalten eingestrahlter Radiowellen gegenüber Atomkernen. Diese befinden sich während des ablaufenden Prozesses in einem äußeren, starken Magnetfeld B_0.
Atomkerne bestehen aus Neutronen und Protonen. Protonen und Neutronen besitzen einen Kerndrehimpuls, den Kernspin J, also einen Eigendrehimpuls. Dieser ist in der klassischen Vorstellung auf eine Rotation der Kerne um eine Kernachse zurückzuführen:
J = |J| = \sqrt{I \cdot (I + 1) h}
I = Kernspinquantenzahl
Jeder Atomkern mit dem Spin J besitzt ein magnetisches Moment. Dieses wird im Folgenden als \mu bezeichnet und resultiert aus der rotierenden Ladung, welche zur Erzeugung eines Magnetfelds führt.
\mu = \gamma \cdot J
Die Variable \gamma bezeichnet das gyromagnetische Verhältnis und besitzt für jede Kernsorte einen spezifischen Wert. Vom gyromagnetischen Verhältnis hängt die Nachweisempfindlichkeit eines Kerns für das NMR-Verfahren ab, da dieser Faktor angibt, wie stark ein Kern mit einem äußeren Magnetfeld wechselwirkt. Folglich wird die Messmethode mit steigendem \gamma empfindlicher und somit genauer.
Auch ist die Kernspinquantenzahl I zu beachten, da diese maßgeblichen Einfluss auf den Spin J und damit auch auf \mu nimmt. Kerne mit I = 0 besitzen weder einen Drehimpuls noch ein magnetisches Moment. Der Kern zeigt keine Reaktion auf ein äußeres Magnetfeld, was ein vollkommenes Verschwinden des magnetischen Kernmoments zur Folge hat. Atomkerne, bei welchen die Anzahl der Protonen und/oder die Anzahl der Neutronen ungerade ist, besitzen einen von Null verschiedenen Gesamtspin (I \neq 0) und damit ein magnetisches Dipolmoment. Die Energie eines magnetischen Dipols in einem Magnetfeld B_0 wird durch W ausgedrückt:
W = - \mu \cdot B_0
Von besonderem Interesse ist für das NMR-Verfahren zur Feuchtemessung im Weiteren das Verhalten des Wasserstoffkerns H. Setzt man Kerne mit einem magnetischen Moment einem äußeren, statischen Magnetfeld B_0 aus, so spalten sich die Energieniveaus. Dieses Phänomen wird als Kern-Zeeman-Effekt bezeichnet.
Befindet sich ein Kern in einem äußeren statischen Magnetfeld, wird er entsprechend der aufgespaltenen Energieniveaus im Magnetfeld ausgerichtet. Für einen Kern mit der Kernspinquantenzahl I = \frac{1}{2} (Spin-1/2-Teilchen) ergeben sich deshalb zwei Energieniveaus, welche der Kernspin im Magnetfeld B_0 annehmen kann:
Parallele Ausrichtung = Relaxiert ins niedrigere Niveau
Antiparallele Ausrichtung = Energetisch höheres Niveau wird angeregt
Wird nun ein Photon eingestrahlt, welches einer Energie in Höhe der Energiedifferenz zwischen den Energieniveaus entspricht, so wird der Spin angeregt, das Niveau zu wechseln. In einem Prüfobjekt mit einer Vielzahl von Wasserstoffkernen wird der Zustand parallel zur Feldrichtung etwas häufiger besetzt als der antiparallele Zustand, da Letzterer energetisch etwas ungünstiger ist.
Die Energiedifferenz zwischen beiden Zuständen entspricht einer für das jeweilige Magnetfeld charakteristischen Frequenz, der sogenannten Lamorfrequenz W_0, welche proportional zur Stärke des Magnetfelds ist. Die Energie eines Photons entspricht seiner Frequenz. Um eine Resonanzbedingung zu erhalten, muss die Frequenz des eingestrahlten Photons gerade der Lamorfrequenz des statischen Magnetfeld entsprechen W = W_0. Der Begriff Kernspinresonanzsignal entstammt somit dem Umklappen des Kernspins.
Bei der Nuklearen-Magnetischen-Resonanz-Methode (NMR) wird auf das magnetische Moment des Wasserstoffkerns in einem äußeren Magnetfeld zurückgegriffen. Mit der Messung der kernmagnetischen Resonanz ist eine Bestimmung der in einer Probe vorhandenen Wasserstoffkerne, also eine Wassergehaltsbestimmung, von nicht wasserstoffhaltigen Werkstoffen, möglich. Ein Wasserstoffkern, dessen Ausrichtung im Feld parallel oder antiparallel ist, kann durch Niveauänderung Energie aufnehmen, welche durch die Einstrahlung eines elektromagnetischen Impulses einer definierten Frequenz erzeugt wird. Nach Ende des Impulses wird die Energie wieder abgegeben und das ursprüngliche Niveau eingenommen.
Wird bei der Wahl der Frequenz darauf geachtet, dass diese nur Wasserstoffatome anspricht, so kann die Energieabgabe nach Ende des Impulses als Maß für den Wassergehalt der Probe genutzt werden. Aus der Stärke der Absorption einer elektromagnetischen Strahlung im Mikrowellenbereich kann somit auf die Konzentration der Wasserstoffatome geschlossen werden. Die Amplitude des induzierten Signals ist proportional zur Anzahl der Wasserstoffkerne im Prüfvolumen (Spindichte). In feuchtem Holz ist die Spindichte also als Maß für den Feuchtegehalt anzunehmen. Außerdem können in einem NMR-Experiment auch die Zeitcharakteristiken des Signals zur Werkstoffcharakterisierung ausgewertet werden. Die Zeitcharakteristiken machen es möglich Wasserstoff der Holzfeuchte und Wasserstoff im Festholz voneinander zu unterscheiden.
NMR-Verfahren liefern eine Vielzahl an Informationen über die Zusammensetzung, die Struktur und die Morphologie eines Werkstoffes. Die Haupteinsatzgebiete der NMR-Verfahren sind vor allem die Bauwerksdiagnostik, die Qualitätsbewertung von Instandsetzungsmaßnahmen sowie die Charakterisierung von Werkstoffen. Im Folgenden wird darüber berichtet, welche beiden Verfahren für die Feuchtemessung in Frage kommen:
Als erstes ist das konventionelle NMR-Verfahren zu nennen, welches sein Haupteinsatzgebiet in der Charakterisierung von unverbauten Werkstoffen hat. Es basiert auf einer Probeentnahme mit anschließender Laboruntersuchung (vgl. Abbildung 1). Das konventionelle Verfahren ist weder komplett zerstörungsfrei noch kurzfristig einsetzbar, deshalb eignet es sich wenig zur zerstörungsfreien Überwachung bzw. Überprüfung eines Bauteils. Lediglich bei großflächigen Bauteilen ist der Einsatz noch sinnvoll, da im Verhältnis zur Fläche die gezielten punktuellen Entnahmen der Proben sehr klein sind. Da die Entwicklung aber immer mehr in Richtung vollkommen zerstörungsfreier Prüfung geht, verliert das konventionelle Verfahren in der Baubranche an Relevanz.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines NMR-Spektrometers Von Oguenther "Prinzip eines NMR-Spektrometers" Unter CC-BY-SA 3.0 http://pw.physikerwelt.de/wiki/Datei:NMR-Spektrometer.png#filehistory |
Die zweite Methode, realisiert durch das NMR-Aufsatzverfahren, ist noch in der Entwicklung und verfolgt folgende Zielvorstellung: Eine einfache, aber zuverlässige Feuchtemessung, welche vor Ort Ergebnisse liefert, komplett zerstörungsfrei arbeitet, tiefenaufgelöst messen kann und keine Empfindlichkeit gegenüber baurelevanten Salzen zeigt. Außerdem sollten Wiederholungsmessungen möglich sein. Das NMR-Aufsatzverfahren arbeitet bereits komplett zerstörungsfrei und völlig unabhängig von der Prüfkörpergröße der Sensorgeometrie. Durch eine spezielle Magnetanordnung ist außerdem nur eine einseitige Zugänglichkeit zum Bauteil notwendig (vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2: NMR-Aufsatztechnik Quelle: http://www.ndt.net/article/dgzfp02/papers/p30/p30.htm http://www.ndt.net/article/dgzfp02/papers/p30/fig1.gif |
Im Allgemeinen gilt die Prüfung von Feuchtigkeit im Bauwerk mit Hilfe des NMR-Verfahrens als sehr genau und präzise. Einflüsse durch Salze lassen sich weitestgehend ausschließen. Mit dem Verfahren kann chemisch gebundenes als auch freies Wasser detektiert werden. Sowohl einseitig also auch von beiden Seiten zugängliche Bauteile sind untersuchbar. Ein großes Problem, welches der konventionellen Nutzung des Verfahrens im Weg steht, stellt der eingeschränkte Anwendungsbereich des NMR-Verfahrens dar. Dieser ist auf mineralische Baustoffe begrenzt, da das Messergebnis durch die Anwesenheit von störenden ferromagnetischen Substanzen, welche zur Verbreiterung der Absorptionslinien führen, beeinträchtigt wird. Dadurch wird eine genaue Auswertung erschwert bzw. unmöglich. Als Ziel kann zukünftig somit eine Entwicklung der NMR-Technik gesehen werden, welche bei allen Baustoffen anwendbar ist.
Lässt man die stoffgebundene Anwendung außen vor, so kann festgestellt werden, dass mit der Entwicklung der NMR-Aufsatztechnik ein großer Schritt in Richtung vollkommen zerstörungsfreier Prüfung gemacht wurde. Ein nennenswerter Vorteil ist vor allem die Portabilität des Systems, mit welchem Oberflächenmessungen ortsungebunden durchgeführt werden können. Mit der Entwicklung der NMR-Aufsatztechnik wurde das Detektionsverfahren zur Feuchtigkeit in Bauteilen baustellentauglich gemacht. Es wird erwartet, dass die NMR-Aufsatztechnik die konventionelle Methode immer weiter vom Markt verdrängt. Dies ist nicht allein auf den Vorteil der vollständigen zerstörungsfreien Prüfung eines Bauteils zurückzuführen. Auch spielen hierbei der vergleichsweise geringe apparative Aufwand und die damit verbundenen geringeren Kosten eine bedeutende Rolle. Als zukünftiges Ziel kann eine Etablierung der NMR-Methode als eigenständiges, wirtschaftliches und anerkanntes Messverfahren verfolgt werden.