engl.: knowledge management

Wissensmanagement umfasst alle bewussten Aktivitäten einer Organisation, mit denen die Wahrscheinlichkeit erhöht werden kann, dass der Organisation bzw. den Mitgliedern der Organisation notwendiges Wissen zum Lösen ihrer Probleme im Arbeitsalltag zur Verfügung steht. Die Definition von Wissensmanagement ist in der Literatur weniger einheitlich. Um dies zu zeigen, zitiert Schindler [1] allein acht unterschiedliche Ansätze, in denen auf unterschiedliche Schwerpunkte wert gelegt wird: Prozessorientierung, Schaffen und Mobilisieren von Wissen, Entdecken und Nutzen vorhandenen impliziten und expliziten Wissens, Notwendigkeit von Ganzheitlichkeit im Wissensmanagement und Interventionen sowie Maßnahmen um Wissensproduktion, -reproduktion, -distribution, -verwertung und -logistik in einer Organisation zu optimieren. Vor allem in den letzten Jahren haben Unternehmen mehr und mehr erkannt, dass das Wissen ihrer Mitarbeiter einen Vermögenswert darstellt, den es zu fördern, vor dem Hintergrund personeller Fluktuation vor allem aber zu konservieren und dauerhaft verfügbar zu machen gilt [5]. Ziel des Wissensmanagements ist es, Wissen zu identifizieren, zu erwerben, im Sinne der gesetzten Ziele anzuwenden, gezielt zu bewahren und kontinuierlich weiter zu entwickeln. Auf Grund der multidimensionalen Facetten des Wissensmanagements finden sich Ansätze in der Informatik, der Wirtschaftsinformatik, der Informationswissenschaft, aber auch in der Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie. Das organisierte und ganzheitliche Zusammenspiel verschiedener Methoden des Wissensmanagements bezeichnet man als Wissensmanagementsystem.

Modelle des Wissensmanagements

Zwei Modelle des Wissensmanagement werden in der Literatur am häufigsten zitiert. Dies ist zum einen das Modell nach Nonaka und Takeuchi [4], zum anderen das Modell nach Probst et al. [5]. Nonaka und Takeuchi unterscheiden zunächst zwei Dimensionen der Wissensschaffung. Eine Dimension, die epistemologische Dimension, unterscheidet danach, ob das Wissen eher explizit oder implizit gewonnen wurde, die ontologische Dimension zeigt an, auf welcher Wissensebene das Wissen vorliegt (Individuum, Gruppe, Unternehmen, Unternehmensinteraktion). Darüber hinaus unterscheiden sie vier Formen der Wissensumwandlung. Die Sozialisation beschreibt den Weg von implizitem zu implizitem Wissen wie es z.B. bei einer Berufsausbildung übertragen wird. Die Externalisierung bedeutet das Überführen von implizitem zu explizitem Wissen z.B. durch das explizite Ausdrücken impliziten Wissens mit Hilfe von Metaphern, Analogien, Modellen oder Hypothesen. Die Internalisierung von explizitem Wissen erfolgt durch starkes Verinnerlichen erfahrenen Wissens ergänzt durch körperliche Erfahrung (Beispiel: das Anfassen heißer Herdplatten verursacht Schmerzen). Kombination bedeutet die Überführung von explizitem zu explizitem Wissen wie es zum Beispiel in Schulen erfolgt [4]. Nach der Theorie von Nonaka und Takeuchi muss eine Spirale des Wissenstransfers entstehen, in der sich diese vier Arten der Wissensumwandlung abwechseln, damit Wissen sich im Unternehmen verbreitet wird und somit eine erweiterte ontologische Dimension erhält (vgl. Abblidung 1).

Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen
Abbildung 1: Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen [4]

Als zweites Wissensmanagementsystem soll das Modell nach Probst, Raub und Romhardt [5] erläutert werden, da es in der deutschsprachigen Literatur am meisten verbreitet und anerkannt ist. Nach diesem Modell besteht ganzheitliches Wissensmanagement aus folgenden Schritten: Definition von Wissenszielen, Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensbewahrung, Wissensnutzung und Wissensbewertung (vgl. Abbildung 2). Über die Wissensbewertung kann eine Rückmeldung bezüglich der Qualität der Wissensziele und der eingesetzten Methoden erzeugt werden. Zur Einführung dieses Wissensmanagementsystems macht die Abarbeitung der einzelnen Schritte in der durch Pfeile skizzierten Reihenfolge Sinn; ist das Modell eingeführt, kann jeder Schritt unabhängig weiter bearbeitet werden.

Bausteine des Wissensmanagement nach Probst
Abbildung 2: Bausteine des Wissensmanagement nach Probst [5]

Wissensziele

Beim Aufbau eines Wissensmanagementsystems müssen Wissensziele erarbeitet werden. Um das Wissensmanagement gewinnorientiert einzusetzen, müssen die Wissensziele die vorhandenen Unternehmensziele unterstützen. Es kann in diesem Zusammenhang zwischen normativen (zur Unterstützung von Visionen und Unternehmenskultur), strategischen (Unterstützung langfristiger Ziele) und operativen Wissensziele (Unterstützung strategischer Ziele auf alltäglicher Arbeitsebene) unterschieden werden [5]. Beispiele für Wissensziele sind Prozessverbesserungen, Transparenz von Potenzialen, verbesserte Kundenorientierung oder das Verständnis von Märkten und Kunden.

Wissensidentifikation

Im Arbeitsschritt Wissensidentifikation soll herausgefunden werden, wo im Unternehmen welches nützliche Wissen vorliegt. Dazu ist es beispielsweise nützlich von jedem Mitarbeiter eine Selbstauskunft über Kompetenzen, Ausbildung und Fähigkeiten einzuholen und öffentlich zugänglich zu dokumentieren.

Wissenserwerb

Liegt benötigtes Wissen intern noch nicht oder in unzureichendem Maße vor, besteht die Möglichkeit, Wissen aus externen Quellen zu erwerben. Diese Quellen können Kunden, Lieferanten, Konkurrenten oder Partner sein. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Unternehmen, Experten oder evtl. deren Bücher zu Rate zu ziehen oder auch Wissensträger als neue Mitarbeiter anzuwerben.

Wissensentwicklung

Eine weitere Möglichkeit, Wissen zu erschließen, das intern (und möglicherweise auch extern) fehlt, ist die Wissensentwicklung. In diesem Zusammenhang muss überlegt werden, wie man mit Mitarbeiterideen verfährt und die Kreativität der Mitarbeiter nutzt, um individuell oder kollektiv neues Wissen zu entwickeln. Individuelles Wissen wird entweder systematisch, also schrittweise, oder chaotisch in einem einmaligen kreativen Prozess entwickelt. Das betriebliche Vorschlagswesen ist das Paradebeispiel der Förderung individueller Wissensentwicklung. Ein Beispiel für kollektive Wissensentwicklung ist die Durchführung und zugängliche Dokumentation von Lessons Learned Workshops in der Projektarbeit.

Wissens(ver)teilung

Gehle und Mülder [2] nennen diese Teilaufgabe "Wissenslogistik", deren Ziel es sein muss, "problemadäquates Wissen zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge und Qualität am richtigen Ort" bereit zu stellen. Sie erläutern, dass Wissenslogistik (wie jede andere Logistik) sowohl Push- als auch Pullstrategien verfolgen kann. Zur optimalen Wissensverteilung müssen Barrieren der Wissenslogistik beseitigt werden. Dies sollte ihrer Meinung nach mit Change Management einhergehen. Change Management bedeutet, Prozesse, Organisationsstrukturen, Ressourcen und Informationen gezielt zu optimieren, um die Agilität der Organisation im Bezug auf Wissensströme zu optimieren.

Wissensnutzung

Alle bisher beschriebenen Aktivitäten des Wissensmanagements sind jedoch hinfällig, wenn der zentrale Schritt, nämlich die Nutzung des zur Verfügung gestellten Wissens, durch die Mitarbeiter der Organisation nicht erfolgt. Die Organisation muss folglich alles dafür tun, die Mitarbeiter dazu zu motivieren, das bereitgestellte Wissen gewinnbringend einzusetzen.

Wissensbewahrung

Der Schritt der Wissensbewahrung bezeichnet die Selektion, Speicherung und Aktualisierung von dokumentiertem Wissen. Eine Auswahl "erhaltungswürdigen" Wissens kann dabei ausschließlich durch den Menschen durchgeführt werden. Der Prozess der Wissensbewahrung wird oftmals auch um den Schritt der Wissensaufbereitung erweitert, bei der Wissen aus verschiedenen Wissensquellen einheitlich und mit Schlüsselwörtern versehen formuliert wird [2]. Vorhandenen Dokumente müssen regelmäßig gesichtet und nicht mehr benötigtes Wissen unbedingt gelöscht werden. Erhält ein Nutzer auf eine Suchanfrage mehrfach veraltete und nicht mehr gültige Wissensdokumente, so wird seine Bereitschaft sinken, mit diesem Wissensmanagementsystem zu arbeiten.

Wissensbewertung

Durch Wissensbewertung soll der durch Wissensmanagement erreichte Nutzen gemessen und interpretiert werden.

Methoden im Wissensmanagement

Im Folgenden werden exemplarisch einige Methoden aufgezeigt, die für die einzelnen Handlungsschritte des Wissensmanagementsystems nach Probst et al. [5] eingesetzt werden können. Für den Handlungsschritt "Erstellen von Wissenszielen" bestehen keine Methodenvorschläge, da dieser Prozess unternehmensspezifisch und daher nicht allgemeingültig fassbar ist.

Methoden zur Wissensidentifikation:

  • Individuelles Wissen: Benchmarking, Expertenverzeichnisse, Yellow Pages, Wissenskarten, Story telling
  • Kollektives Wissen: Benchmarking, Kompetenzkarten, Dokumentation von Projekterfahrung, Kommunikationsnetzwerke intern
  • Identifizieren von Wissenslücken: Simulation Microworlds, Wissensbenchmarking, Feedbacksysteme
  • Externes Wissen: Wissensbroker, Technologiescouts, Expertenbefragung, Veröffentlichungen, strukturierte Datengewinnung über Zulieferer- und Beraterleistungen, externe Netzwerke, Internet


Methoden zum Wissenserwerb:

  • Anwerben externer Experten
  • Anwerben externen Wissens: Kauf, Fusion, fallweiser Informationsaustausch, Kooperationen, identifizieren von Stakeholderwissen, Kauf von Patenten und Software


Methoden zur Wissensentwicklung:

  • Individuelle u. kollektive Wissensentwicklung: Eigene Forschung und Entwicklung, Forschungskooperationen
  • Kollektive Wissensentwicklung: Explizierung impliziten Wissens, Teamarbeit, Business Process Reengineering, Total Quality Management, kontinuierlicher Verbesserungsprozess, Erfahrungsgruppen, Kommunikationsforen, Work-Outs, Think Tanks, Produktkliniken, Lernen in der Produktion, Lernarenen, Lessons Learned


Methoden zur Wissensverteilung:

  • Space Management, Job Rotation, Wissensnetzwerke, Fortbildungsmaßnahmen, interne Veröffentlichungen, Diskussionsforen, Inforäume, Kaffeeecken, Newsletter


Methoden zur Wissensnutzung:

  • nutzerfreundliche Strukturen, lernbereites Klima, Fehler- und Fragekultur
  • Job Rotation, Entscheidungsfreiheit, Coaching, therapeutische Intervention


Methoden zur Wissensbewahrung:

  • Individuelles Wissen: gutes Arbeitsumfeld, Anreize, vorausschauendes Einarbeiten nachfolgender Mitarbeiter, weiterer Kontakt mit ausgeschiedenen Mitarbeitern, Austrittsgespräche
  • Kollektives Wissen: Systematisierung der Wissensdokumente, Verschlagwortung


Methoden zur Wissensbewertung:

  • Balanced Scorecard, Indikatorenklassen
  • SOLL-IST-Vergleich, Benchmarking
  • Coaching, Mentoring

Aktuelle Tendenzen des Wissensmanagements

Wissensmanagement mit Ontologien

Ontologien "revolutionieren" in Datenbanken gespeichertes Wissen. Mit ihnen werden gespeicherten Begriffen bestimmte Eigenschaften bzw. semantische Informationen zugewiesen. Zum Beispiel kann ein Dokument mit verschiedenen Eigenschaften wie Besitzer, Speichervolumen, Funktion (z.B. Richtlinie) etc. versehen werden. Führt man nun eine Suche nach dem Begriff "Richtlinie" durch, werden nicht wie bei aktuell gebräuchlichen Internetsuchmaschinen nur Seiten als Ergebnis angezeigt, in denen das Wort Richtlinie vorkommt, sondern als Suchergebnis werden Dokumente angezeigt, die die Funktion "Richtlinie" haben.

Elektronischer Wissensbroker

Erst relativ kurz ist eine Software auf dem Markt verfügbar, die die Expertisen der einzelnen Mitarbeiter durch Screening aller Emails und aufgerufenen Dokumente in Erfahrung bringt. Auf die Eingabe von Schlüsselwörtern in eine Suchfunktion hin werden kompetente Mitarbeiter auf diesem Gebiet genannt. Dieses System stellt also eine Art Wissenbroker-Software dar. Der Vorteil dieses Systems ist der nur einmalig notwendige Zeitaufwand für die Konzeption und Implementierung des Systems. Die Suche von Wissensgebieten und deren Experten erfolgt automatisch. Der Nachteil dieses Systems ist die mangelnde Privatsphäre, die dem Mitarbeiter zugestanden wird. Um diesem Problem vorzubeugen, kann der Mitarbeiter das Überwachungssystem zeitweise abschalten. Außerdem können Kontakte auch anonym geknüpft werden. Aventis hat dieses System eingeführt und ist damit hochzufrieden. Die Investition in dieses System hat sich nach eigenen Aussagen mehr als abbezahlt. Durch den Einsatz des Programms konnten einer Studie zufolge schon in der Anfangsphase acht Monate Laborarbeit eingespart werden [3].

Quellen

[1] Schindler, M.: Wissensmanagement in der Projektabwicklung, Gable, Lohmar.

[2] Gehle, M.; Mülder, W.: Wissensmanagement in der Praxis, Frechen: Datakontext 2001.

[3] Fischemann, T.: Zufahrt zum Gehirn, In: Die Zeit - Wirtschaft, 36, 2004.

[4] Nonaka, I.; Takeuchi, H.: Die Organisation des Wissens, Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen, Frankfurt/Main: Campus 1997.

[5] Probst, G.; Raub, S.; Rombardt, K.: Wissen managen. Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen., Wiesbaden: Gabler 2006.

  • Keine Stichwörter